D 2004, 269 S., Broschur, € 14.90Kostenloser Versand ab 25 Euro Bestellwert.QuerverlagInhalt
Lukas und Johannes leben seit einigen Jahren zusammen. Wie jede Beziehung hat auch die ihre einen ganz eigentümlichen Kitt, der das gemeinsame Leben zu etwas Besonderem macht. Für Lukas und Johannes sind es die Geschichten, die Lukas dem angekuschelten Johannes erzählt. Geschichten von den beiden schwulen Ratten Rainer und Rolli oder von der Freundschaft des Drachens Brand zu Grünherz, dem Faun. Aber alle diese Geschichten können nur oberflächlich verdecken, dass ihre Beziehung längst ausgehöhlt ist, auch wenn sie aneinander hängen: Lukas und Johannes ertragen sich in Wahrheit nicht mehr, aber voneinander los kommen sie auch nicht. Und so beschließt Lukas, Johannes dadurch zu quälen, dass er die geliebten Helden in den Geschichten nach und nach umkommen lässt. Doch dadurch setzt er einen zerstörerischen Prozess in Gang, der das Leben von Lukas und Johannes zur Hölle werden lässt. Nach einem schrecklichen Unfall, bei dem Johannes durch ein Fenster stürzt, erzählen sich die beiden schließlich, wie sie ihre gemeinsame Zeit erlebt haben. Und das ist Johannes' Gelegenheit mit seiner Geschichte zurück zu schlagen. Was er Lukas erzählt widerspricht Johannes' Darstellung diametral. Beides kann nicht »wahr« sein. Und doch enthüllen die gegenläufigen Erzählungen gerade weil sie jeweils auf die Ergründung der Gefühle des anderen verzichten, die »Wahrheit« über das emotionale Verhältnis der beiden zueinander. - Jan Stressenreuter ist selbst ein Geschichtenerzähler. Schon in seinem ersten Roman »Love to Love You, Baby« hatte er Jugendgeschichten mit einer Gegenwartserzählung verbunden. In »Ihn halten, wenn er fällt« jedoch treibt er das Erzählen und das Erzählen vom Erzählen auf einen Höhepunkt. In einander verschachtelte Geschichten, sich widersprechende Berichte der gleichen Begebenheiten, wechselnde Genres bis hin zum schwulen Kunstmärchen machen das Buch nicht nur spannend (denn: Gibt es eine Wahrheit hinter allen Geschichten und wenn ja, welche mag das sein?) und zu einem Lesegenuss, sondern verleihen dem Roman auch Tiefe. Denn die therapeutische Wirkung, die dem Miteinander-Reden gern nachgesagt wird, versagt - wie so oft im Leben. Den beiden einstmals Liebenden bleibt nicht einmal eine Erinnerung an ihre gemeinsame Zeit, die nicht vom jeweils anderen als verzerrt, falsch, ja erlogen bezeichnet würde. Lediglich an ihr Kennenlernen und an ihren ersten Sex erinnern sie sich gleich und verbinden damit Gefühle, die sie miteinander teilen können. Und so bleibt die bittere Frage: Was bleibt mehr als der Moment?
(Veit empfiehlt, Sommer Katalog 2004)