Marokko
Marokko ist für viele Schwule Europas und Amerikas immer wieder ein Ort der Sehnsucht gewesen. Trotz massiver gesellschaftlicher Ablehnung und staatlicher Repression existiert jedoch, besonders in den Städten vor allem unter europäischen Urlaubern und Auswanderern eine relativ große Schwulen- und Lesbenszene. Der Aufbau einer schwulen Infrastruktur ist freilich gefährlich, das
einzige schwule Blatt »Mithli« kann nur im Geheimen verbreitet werden.
Der wohlwollend-verklärenden Sicht steht die harte Geschichte wechselseitiger Beherrschung und Unterdrückung gegenüber. Nach der Eroberung der maurischen Gebiete in Europa wurde Marokko Gegenstand europäischer Beherrschungsversuche, die erst durch die 1956 erreichte Unabhängigkeit beendet wurde. Doch der koloniale Blick auf Marokko hielt sich in der europäischen Literatur noch lange, Marokko blieb Objekt und Folie für Projektionen, eigene Stimmen schwulen marokkanischen Lebens sind erst in jüngerer Zeit laut bzw. wahrgenommen worden.
In der Zeit des seine Unabhängigkeit erkämpfenden Marokko spielt Gregorio Ortega Cotos Roman »Marokkanische Minze«. Der 19jährige Pablo kehrt in die nordafrikanische Garnisonsstadt seiner Kindheit auf der Suche nach seiner Vergangenheit zurück. Ein intensiv erzählter, anrührender Roman über eine schwule Kindheit, jenseits jeglicher idyllischer Verklärung.
Pablos Eltern waren als spanische Siedler nach Marokko gekommen, ins unabhängige Marokko zog es aber weiterhin viele Spanier, die der Diktatur Francos entkommen wollten. Nach dem Übergang Spaniens zur Demokratie und dem Beitritt zur EG kehrte sich diese Richtung um: Jetzt ist Europa für viele Marokkaner der Inbegriff von Hoffnung auf ein besseres Leben. Diese wechselhafte Sicht beschreibt Tahar Ben Jelloun in seinem Roman »Verlassen« besonders eindringlich, in dem ein schwuler vermögender Spanier einem Marokkaner, in den er verliebt ist, die Einreise nach Spanien ermöglicht.
Zwei völlig unterschiedliche Perspektiven gegenwärtigen Lebensgefühls schwuler Jugendlicher in Marokko entwerfen die Romane »Der Tag des Königs« von Abdellah Taïa und »Heiße Schokolade« von Rachid O. »Heiße Schokolade« beschreibt das Aufkeimen und die Entwicklung schwulern Begehrens von früher Kindheit bis zur ersten großen Liebe, immer gespiegelt an der Sehnsucht nach dem Unerreichbaren. »Der Tag des Königs« hingegen benutzt die schwule Teenager-Liebe der beiden Romanfiguren, um die gesellschaftliche Zerrissenheit Marokkos darzustellen - ein ausgesprochen poetischer Roman.
Wie die marokkanische Gesellschaft Homosexualität auch in den Exilgemeinschaften unterdrückt schildert der autobiografische Roman »Der Junge aus Casablanca« von Omar B.
Zwei Klassiker der schwulen marokkanischen Reiseliteratur und schöne Beispiele, wie auch die von Marokko faszinierten Autoren immer schon versucht haben, sich von der Verklärung ihres Sehnsuchts-Ortes abzugrenzen ist »Straße der Stufen« von Ronald Tavel und »Der Platz der Gehenkten« von Hubert Fichte.
Besonders wichtig nicht nur für die schwule Sicht auf Marokko waren die literarischen Bezüge und die zuweilen mythische Überhöhung von Autoren, die Marokko als den Ort ihres Lebens und Sterbens erwählt hatten. Jean Genet ist solch ein Autor, dem Marokko soviel bedeutete, dass er unbedingt dort begraben werden wollte. Sein Grab wurde zu einer schwulen Pilgerstätte, sich auf ihn und sein Werk zu beziehen zu einer Form schwuler Selbstvergewisserung. Beispiele hierfür sind die Tagebücher von Joe Orton, die dem Film »Prick Up Your Ears« zugrunde liegen, »Engel und Paria« von Juan Goytisolo und »Das Zöglingsheft von Jean Genet« von Josef Winkler.
Inwieweit alle diese Sehnsüchte und Vorstellungen von einem freizügigen Marokko noch auf das Trauma der brutalen Auslöschung einer blühenden Hochkultur durch bildungsferne Christen in der spanischen Reconquista zurück gehen könnte, illustriert der historische Roman »Die Handschrift von Granada« von Antonio Gala. Die fiktiven Erinnerungen des letzten maurischen Herrschers in Europa schildern ein Leben in kultureller wie sexueller Vielfalt, das oft und gerne auch von spanischen Nachbarn geteilt wurde. Erst die Ideologisierung der Rückeroberung mit christlichem Fundamentalismus brachte neben der Auslöschung in Europa offenbar zugleich eine Verklärung des Verlorenen.
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