Dt.v. Thomas Stegers. D 2007, 572 S., Pb,, € 14.95Kostenloser Versand ab 25 Euro Bestellwert. Titel als E-Book-erhältlich?HeyneInhalt
Nick stammt aus kleinbürgerlichen
Verhältnissen.
Beim Studium in
Oxford hat er Toby
Fedden kennen gelernt
und sich mit ihm angefreundet.
Die Feddens
sind immens reich,
Tobys Vater ist konservativer
Abgeordneter und
Staatssekretär in der
Regierung von Margaret
Thatcher. Als Nick seine Dissertation über die
Ästhetik bei Henry James beginnt, bieten ihm
die Feddens an, zu ihnen in ihr großes Haus
in Notting Hill zu ziehen, und Nick nimmt freudig
an. Dass Nick schwul ist, scheint niemanden
zu stören. Im Gegenteil, Nick wird
zunehmend der Vertraute von Tobys manisch
depressiver Schwester Catherine, die er von
einem Selbstmordversuch abhält, als die restliche
Familie in Urlaub ist.
Nick wird im Laufe der Zeit zum gleichberechtigten
Familienmitglied, fährt mit den Feddens
in Urlaub und nimmt an ihren Gesellschaften
Teil - bei einem tanzt er sogar mit Margaret
Thatcher - ein Triumph in seiner Entwicklung
zum Dandy der neokonservativen 80er Jahre.
Nicks schwules Leben ist jedoch kein Thema
im Hause Fedden - einzig mit Catherine gibt
es Gespräche über Hoffnungen und Enttäuschungen
mit Männern. Nicks erste große
Liebe zu Leo, der aus armen Einwandererverhältnissen
stammt, scheitert denn auch
nicht zuletzt daran, dass beide ihr Verhältnis
verbergen und keinen Ort für ihre Intimität
finden. Das ändert sich für Nick, als er Wani
kennen lernt, den Sohn einer mit den Feddens
befreundeten, ebenfalls sehr reichen
Familie. Für sein Projekt einer schicken Zeitschrift
stellt Wani Nick ein, und so haben
die beiden eine Fassade, hinter der sie ihre
Liebe schützen können. Drei rauschhafte
Jahre verlebt Nick in dieser Welt, die alles
duldet, solange Macht und Geld nicht in Frage
gestellt werden, in der mit Wanis Geld und der
gesellschaftlichen Position der Feddens alles
möglich scheint. Nicht einmal als Wani sichtlich
von AIDS gezeichnet ist, wird der schöne
Schein in Frage gestellt und Nick kann sich
erfolgreich einreden, dass er - ohne dass
es je ausgesprochen werden müsste - als
Schwuler entgegen aller restriktiver Politik
der Tories eigentlich von seiner konservativen
Umgebung akzeptiert wird.
Doch diese Lebenslüge wird brutal entlarvt,
als Nicks Verhältnis zu Wani öffentlich wird.
- Alan Hollinghursts Roman ist nicht nur
eine großartige Darstellung der Widersprüche
in Großbritannien unter der Thatcher-Regierung
und eine fesselnde Schilderung eines
schwulen Erwachsenwerdens. »Die Schönheitslinie
«, Titel des Buches wie auch Nicks
Dissertationsthema im Roman, greift ein
Motiv schwuler Lebensführung auf, das allzu
schnell zum Muster einer gefährlichen Lebenslüge
wird: Die Wahrnehmung der durchgängigen
Schönheit in der Welt, einer Linie, die
Wirklichkeit, vergangene und gegenwärtige
Kultur und das Gemüt dessen, der diese
Schönheit wahrnimmt, durchzieht. Diese
Schönheitslinie in all ihren Windungen zu
erkennen, macht auf der einen Seite glücklich, indem sie das Leben bereichert, doch
zugleich verstellt sie auf der anderen Seite
den Blick insbesondere auf die Wirklichkeit
gesellschaftlicher Machtverhältnisse. »Die
Schönheitslinie« ist dadurch zugleich eine
Kette von Opportunismus, Lüge und Selbstbetrug.
Und schließlich ist Alan Hollinghursts Roman
auch ein Henry-James-Roman, denn nicht nur
ist Henry James' Ästhetik und Lebensauffassung
durch Nicks Dissertation im Roman allgegenwärtig.
Nicks Leben als Schwuler sich
in einer Gesellschaft einzurichten, die den
schönen Schein pflegt und solange dieser
nicht gefährdet ist, bereitwillig über vieles
hinweg sieht, zeigt deutliche Parallelen zum
»Meister«, wie Henry James immer wieder
genannt wird. Durch die Sprache des Alltags
und den harten, auktorialen Erzählstil - ganz
im Gegensatz zu Henry James - macht jedoch
»Die Schönheitslinie« klar, dass ein modernes
Leben durch Schönheit mehr bedroht
denn bereichert wird. »Die Schönheitslinie«
ist damit auch ein großartiger Gegenentwurf
zu Colm Tóibíns »Porträt des Meisters in
mittleren Jahren«. Beide Romane waren in
der Endrunde für den Booker Prize im vergangenen
Jahr, Hollinghursts »Schönheitlinie«
wurde schließlich der renommierteste englische
Literaturpreis zuerkannt, und natürlich
gibt es bei Löwenherz auch die englische
Paperbackausgabe für € 10,99. (Veit empfiehlt, Herbst Katalog 2005) Podcast (10 Minuten) zu diesem Titel anhören
Titel vergriffen, auf Anfrage versuchen wir gerne, ihn antiquarisch zu besorgen.