Schwule Kunst
Was wäre, wenn man ein Museum zur Verfügung hätte und es mit schwuler Kunst füllen dürfte? Sicherlich würde einem ein Klassiker wie Caravaggio dazu einfallen. Und sicherlich käme einem auch der Stern der PopArt Andy Warhol in den Sinn. Auch einige moderne Künstler wie David Hockney, Gilbert + George oder Pierre et Gilles müssten unbedingt dort vertreten sein. Wenn man sich jedoch mit schwuler Kunst eingehend befasst, wird einem schnell klar, wie schnell der Rahmen gesprengt würde.
Da drängt sich natürlich die Frage auf: was ist überhaupt »schwule Kunst«? Sind es Kunstwerke von Schwulen? Sind es Kunstwerke für den schwulen Betrachter? Oder sind es gar »schwule Kunstwerke« an sich, die zur schwulen Kunst werden?
Zum Einlesen empfiehlt sich hier das von
Robert Aldrich 2007 herausgegebene Buch »Gleich und anders«. Dieses Buch - als globale Geschichte der Homosexualität konzipiert - ist über weite Strecken eine schwullesbische Kulturgeschichte, in der Kunst eine wichtige Rolle spielt.
Kürzlich hat der amerikanische Erotikautor
David Leddick mit »Gorgeous Gallery« eine Bildanthologie herausgegeben, die einem die ganze Bandbreite schwuler Kunst mit all ihren Extremen vermittelt. Bei ihm finden sich Klassiker wie Paul Cadmus oder Harry Bush neben Gegenwartskünstlern wie David Hockney oder Don Bachardy. Aber auch die Avantgarde ist vertreten. Insgesamt ist hier eine starke Nähe zur Pornografie spürbar (auch das Fehlen von Berührungsängsten).
Natürlich darf auf einer Themenseite über schwule Kunst der Godfather der PopArt Andy Warhol nicht fehlen - viel über seine Kunst, seine Arbeitsweise und auch Biografisches erfährt man in
»Die Autobiografie und das Sexleben des Andy Warhol« von John Wilcock.
In dem Buch
»Gay Art« von Felix L. Falkon und Thomas Waugh werden die Wurzeln der schwulen Kunst im Untergrund aufgezeigt.
Dies führt natürlich zu einem der kuriosesten schwulen Künstler aller Zeiten:
Tom of Finland - dem 2009 mit »XXL Complete Works« eine wirklich umfassende Gesamtschau seines Werkes gewidmet wurde, in dem die Grenzen zwischen pornografischer Übertreibung und künstlerischer Darstellung fließend sind. Kaum ein anderer schwuler Künstler konnte mit seinen Zeichnungen einen derart stilbildenden, identitätsstiftenden Einfluss auf die Subkultur und die Community ausüben wie Tom of Finland. Und das zu Zeiten, als männliche Homosexualität in vielen Ländern noch strafbar war.
In Österreich sieht das schon ganz anders aus: sicherlich umfasste das Werk von Anton Kolig ein dickes Konvolut an Männer- und Jungenakten. Doch seine unübersehbaren homoerotischen Neigungen auszuleben traute sich der Künstler nicht, der noch dazu verheiratet war und Familie hatte. Im Jahr 2000
widmete Otmar Rychlik dem österreichischen Künstler in »Anton Kolig und seinen letzten Modelle« eine wirklich beachtliche Aktsammlung - bemerkenswert dabei: die Kunstwerke werden damaligen Fotos und heutigen gegenüber gestellt - eine interessante Begegnung von Kunst und Realität.
2001 hätte es zu Europride in Wien eine Ausstellung über lesbisch-schwules Leben in Österreich geben sollen. Die Ausstellung kam nicht zustande. Allerdings waren die Vorarbeiten dazu so weit gediehen, dass der geplante Ausstellungskatalog dennoch realisiert wurde. Neben anderen Themenbereichen zeigt
»Der andere Blick« - herausgegeben von Wolfgang Förster, Tobias Natter und Ines Rieder - im Rahmen dieser österreichischen schwullesbischen Kulturgeschichte auch einige Beispiele schwuler Kunst und schwuler Künstler.
Im Jahr 2012 hat Tobias Natter für das Wiener
Leopold Museum die Ausstellung »Nackte Männer« kuratiert. Diese bemerkenswerte Ausstellung, die dank der großformatig plakatierten drei hüllenlosen Fußballspieler von Pierre et Gilles für reichlich Aufregung sorgte, reicht vom Blick in den Aktsaal der europäischen Kunstakademien über Antikensehnsucht um 1800, Männerdarstellungen in der Zeit der Französischen Revolution, des Sturm und Drang und Spätimpressionismus bis in die Kunst des 20. Jahrhunderts. Egon Schiele und Richard Gerstl sind Zentralfiguren, vertreten sind aber auch Jean Cocteau, Antonio Canova, Johann Heinrich Füssli, David Hockney, Ferdinand Hodler, Edvard Munch, Auguste Rodin, Andy Warhol u.v.a.m. Der Katalog beinhaltet etliche Essaybeiträge zu Männlichkeit und Konstruktion von Identität, dem männlichen Begehren in der Kunst der Moderne oder zum nackten Mann als Motiv der Werbung. Den Ausstellungskatalog gibt es in zwei Ausführungen - einmal mit einem
Warhol-Cover und einmal mit einem
Schiele-Cover. - Wir empfehlen auch die ausführliche Besprechung von
QWIEN.
Gleichzeitig zur Wiener Ausstellung »Nackte Männer« gibt es eine ähnlich konzipierte Ausstellung für das
Lentos-Museum Linz und das Ludwig Museum of Contemporary Art Budapest unter dem Titel
»Der nackte Mann / The Naked Man«. Der nackte Mann ist quasi unsichtbar - die Ausstellung soll zeigen, wie dieser totalitäre Zustand, der über ganze Epochen der Geschichte gehalten hatte, durch die Kunst in den letzten Jahrhunderten aufgebrochen wurde. Gerade im letzten Jahrhundert versetzte die traurige Ausgangssituation »den« Mann in den Stand, sich vollkommen neu zu erfinden und sich dem Zustand der Nacktheit zu stellen. Das mag manchmal Mut erfordert haben und Überwindung. Oft war diese Neubewertung des nackten Mannes der Ausgangspunkt für neue Lebensentwürfe und eine neue Sicht auf die eigene Lust und auch tabuisierte Bereiche der Erotik. Ein ganzes, ausführliches Kapitel ist den schwulen Künstlern und der schwulen Kunst gewidmet, dessen Textteil von Peter Weiermair ausgeführt wurde.
Wer an schwuler Kunst auf einer auch theoretischeren Ebene interessiert ist und auch des Englischen mächtig ist, dem dürfte mit
Christopher Reeds »Art and Homosexuality« weitergeholfen sein. Durch den hier vermittelten historischen Überblick wird der »ewige« Zusammenhang zwischen Homosexualität und Kunst deutlich.
2008 veröffentlichte
Peter Weiermair mit »Treasures of Gay Art« schwule Kunstwerke aus der Sammlung der Leslie/Lohman Gay Art Foundation. Was ursprünglich mit ein paar Sammlerobjekten im Salon von Charles Leslie und Fritz Lohman begann, mauserte sich im Laufe der Jahre zu einer veritablen Ausstellung mit schwuler Kunst (egal ob gehoben, pornografisch oder Avantgarde) - so dass man einen schönen Überblick über schwules Kunstschaffen in den letzten Jahrhunderten gewinnen kann.
Eher überblicksartig als exemplarisch befasst sich
Jonathan Weinberg in seinem Buch »Male Desire« mit schwuler Kunst. Dank der Absicht, überall genau hinzuschauen, ist der Autor an den kuriosesten Stellen amerikanischer Kunst auf homoerotische Beispiele gestoßen. Neben Thomas Eakins, Paul Cadmus oder Keith Haring stieß er auf Situationen, die nicht durch explizit Dargestelltes schwul wirken, sondern durch das Fehlen von Frauen allein.
Aktuelle Veranstaltungen
QueerfilmnachtMO 9. Dez., 20 Uhr
Mehr Infos hier#schulesindwiralle - Queer StorytellingDO 12 Dez., 19.30 Uhr
Mehr Infos hierLesung mit Carolin SchairerFR 17. Jan., 19.30 Uhr
Mehr Infos hierWir bestellen gern jedes lieferbare Buch
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