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Jeanette Winterson: Warum glücklich statt einfach nur normal?

Jeanette Winterson: Warum glücklich statt einfach nur normal?

Dt. v. Monika Schmalz. D 2013, 251 S., geb., € 19.43
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Hanser
Inhalt
Allein der Titel ist einfach nur genial. Er könnte auch das Motto der kleinbürgerlichen Gesellschaft im Nachkriegsdeutschland der 50er Jahre beschreiben, in denen ich groß geworden bin. In diesem biografischen Roman jedoch wird Jeanette Winterson 1960 im Alter von fünf Monaten von den Wintersons adoptiert und lebt von da an in einer Arbeiterklassensiedlung in Accrington nicht weit von Manchester. Die Wintersons, die der evangelikalen Pfingstgemeinde angehören, haben für ihre Tochter vorgesehen, dass sie einmal Missionarin wird. Doch das Schicksal - oder der Teufel? - will es anders. Für die frömmelnde Mutter, eine zwanghafte Person, ist jede Freude und Lebendigkeit außerhalb der Kirche Sünde. Die kleine, widerspenstige, aufsässige Jeanette wird bestraft durch Ausgesperrt-Sein, durch stundenlanges Eingesperrt-Sein im kalten Kohlenkeller und durch Schläge. Und das schlimmste: außer der Bibel werden im Haus keine Bücher geduldet. Doch gerade Lesen hat das einsame Mädchen gerettet. Sie holt sich aus der Gemeindebibliothek alle Bücher, die sie kriegen kann. Für die Mutter sind Bücher eine Bedrohung, weil man nicht weiß, was am Ende drinsteht. Für Jeanette sind sie die Welt, in die sie sich flüchten kann und die Lebenselixier und Freiheit bedeutet. Eines der stärksten Plädoyers dafür, wie wichtig Literatur für die oft unglücklichen Kinderseelen ist. Beim Lesen der Biografie wurden in mir sämtliche Erinnerungen wach, wie ich von klein auf in die Welt der Bücher abtauchte. Meine Familie war zwar strikt atheistisch, aber nicht minder gewalttätig. Mit der Taschenlampe lesend unter dem Bett konnte ich die Schläge vergessen und einsam im Kohlenkeller träumte auch ich die Geschichten meiner Bücher weiter. Als Mrs. Winterson ihre Tochter mit 15 händchenhaltend mit einem anderen Mädchen entdeckt, nimmt sie eine Teufelsaustreibung vor. Wir schreiben das Jahr 1974! Jeannete muss tagelang in der Dunkelheit und ohne Nahrung ausharren, während bigotte Gläubige der Gemeinde versuchen durch Beten den Teufel zu vertreiben. Mit 16 Jahren wird sie schließlich aus dem Elternhaus geworfen, weil sie immer noch mit einem Mädchen zusammen ist. Sie ist endlich frei und erkämpft sich, dass sie in Oxford studieren kann und eine anerkannte Schriftstellerin wird. 25 Jahre später: der zweite Teil des Romans war mir schwerer zugänglich. Jeanettes psychotische und depressive Auswüchse aufgrund einer Trennung kamen mir wie die einer anderen Person und wie eine neue Geschichte vor. Aber die Verbindung entsteht, indem die Autorin sich ein zweites Mal auf den Weg zu ihrer eigenen Rettung macht, diesmal durch das eigene Schreiben. Sie begibt sich auf die Spurensuche nach ihrer biologischen Mutter. Hier kommt das eigentliche Trauma zum Vorschein: Das frühe Verlassenwerden, das Nicht-Gewolltsein, die ewige Frage nach dem Warum? Warum ich? Und wer hat mir das angetan? Zum Glück hat sie nun die Unterstützung ihrer neuen Partnerin, der Psychotherapeutin und Autorin Susi Orbach. Jeanette Winterson findet schließlich tatsächlich ihre leibliche Mutter, die sie minderjährig und ohne Einkommen weggeben musste.
(Ilona Bubeck empfiehlt - Winter 2013/14)
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