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Matthew Warchus (R): Pride

Matthew Warchus (R): Pride

UK 2014, engl.OF, dt.SF, dt.UT, 116 min., € 14.99
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Universum Film
Inhalt
In den 1980er Jahren legte die konservative britische Premierministerin »Iron Lady« Margaret Thatcher alles auf Konflikt an. Sie verbot jegliche positive Darstellung von Homosexualität im Rahmen öffentlich geförderter Institutionen wie Bibliotheken mit der berüchtigten »Clause 28« (das heutige Russland lässt grüßen). Und gleichzeitig wollte sie mit eiserner Hand die Macht der Gewerkschaften im Land zerschlagen. Ihre Strategie war ganz nach dem Motto der alten Römer »divide et impera!« gestrickt: Minderheiten und politische Gegner klein und machtlos halten, indem man/frau sie entzweit, bzw. aufeinander hetzt! 1984 kulminierte ihre knallharte Innenpolitik in Zechenschließungen und Privatisierungen, die das gesellschaftliche Klima in Großbritannien vergifteten. Die Bergarbeiter in Wales reagierten darauf mit Streiks, denen die Thatcher-Regierung wiederum mit Polizeiaktionen und Eiseskälte begegnete. In diese konfrontative Situation hinein ereignete sich eine unwahrscheinliche Begebenheit, die nur das Leben sich so ausdenken konnte. Auf dieser Solidaritätsaktion - tatsächlich passiert - basiert der Film »Pride« von Matthew Warchus. Dem jungen schwulen Aktivisten Mark Ashton aus dem Umfeld des schwulenbewegten Londoner Buchladens »Gay's the Word« wird es zu bunt mit der rücksichtslosen, menschlich kalten Politik von Mrs. Thatcher. Er erkennt die dahinterstehende Absicht, die Gesellschaft zu spalten und somit für die Interessen des Establishments gefügig zu machen. Dank seiner Überzeugungskraft gelingt es ihm, einige schwule und lesbische AktivistInnen für seine Idee der spontanen Aktion »Gay and Lesbians Support the Miners« zu begeistern, obwohl die Bergarbeiter keineswegs als homofreundlich bekannt sind. Die Streiksituation in der Waliser Bergarbeiterregion ist eskaliert und inzwischen fast aussichtslos geworden, nachdem den Streikenden das Geld auszugehen droht und sie kurz davor stehen klein beigeben zu müssen. In diesem Moment kommt die rettende Hilfe der Sammelaktion von Schwulen und Lesben aus London, die sie eigentlich nicht ausschlagen können. Doch Vorurteile und Homophobie stehen auf Seiten der Bergarbeiter der Annahme des Geldes entgegen. Vor allem Mann will mit Schwulen und Lesben nichts zu tun haben. Als dann auch noch tatsächliche Schwule und Lesben zum Ausdruck ihrer Solidarität mit den Streikenden im Gewerkschaftsheim auftauchen, erscheint die Kluft zwischen den beiden Gruppen unüberwindlich. Vor allem von Seiten der Bergarbeiter schlägt den AktivisitInnen aus London gleich bei der Ankunft ein eisiger Wind ins Gesicht. Schwule und Lesben auf der einen Seite des Raumes - Bergarbeiter auf der anderen. Nur wenige durchbrechen die unsichtbare Linie zwischen den beiden Gruppen und gehen aufeinander zu. Diejenigen, die die gesamte Solidaritätsaktion eingefädelt haben, bezweifeln allmählich, ob das Ganze gut gehen kann. Erst die impulsive Fürsprache von beherzten Bergarbeiterfrauen, die Spenden doch anzunehmen, und der Versuch der Schwulen und Lesben, sich nicht entmutigen oder einschüchtern zu lassen, dreht allmählich das Blatt. Erste zarte Annäherungen kommen zustande. Die beiden Gruppen beginnen einander zu beschnüffeln. Was am Anfang völlig aussichtslos erschienen ist, wird allmählich Wirklichkeit: es kommt zur Verbrüderung zwischen Schwulen und Lesben einerseits und Bergarbeitern andererseits. Homosexualität bekommt plötzlich ein (sympathisches) Gesicht. Es entwickeln sich persönliche Bande zwischen beiden Seiten, die in Einzelfällen zu Freundschaften werden. Dagegen können auch einzelne homophobe Aktionen am Ort nichts ausrichten. Am Ende des Films kommt es zu der erstaunlichen Wendung, dass walisische Bergarbeiter auf dem Pride Event 1987 in London mitmarschieren. Ein bis dato unvorstellbares Ereignis - galten Bergarbeiter (wie andere Arbeiter auch) als ähnlich homophob wie Fußballfans. Doch die Spendenaktion der »Gays and Lesbians Support the Miners« schrieb Geschichte. Denn diese Aktion brach das Eis zwischen den beiden Gruppen - und politisch bewegte sie auch viel. Die Labour Party hatte schon seit einiger Zeit die gesellschaftliche Gleichstellung von Schwulen und Lesben als Absichtserklärung auf ihren Parteitagen ventiliert - ohne Aussicht auf breite Mehrheit und Aufnahme ins Parteiprogramm. Doch erst als die Bergarbeitergewerkschaft beim Parteitag 1985 ihr ganzes Gewicht (einstimmig!) in die Waagschale warf, nahm die Labour Party die Abschaffung diskriminierender Paragrafen in ihr Parteiprogramm auf, das einer späteren Labour-Regierung als Richtlinie dienen sollte. Es war dem Premier Blair bestimmt, dieses Programm dann umzusetzen und die existierenden Diskriminierungen für Schwule und Lesben abzuschaffen. Als schwuler Film hätte »Pride« wie jeder andere schwule Film auch das Recht einseitig Partei für die Schwulen und Lesben zu ergreifen. Genau das aber tut er nicht. Arschlöcher wie Helden gibt es auf beiden Seiten. Und das zeigt der Film - fast ausgewogen. Es gibt diese warmherzigen Szenen, in denen die Bergarbeitermütter entwurzelten Schwulen raten, doch mal auf ihre Familien zuzugehen - mit erstaunlichen Erfolg. Überall gibt es verhärtete Barrieren zu überwinden. Der Film ist voller großartiger Szenen. Als Beispiel führe ich gerne die Szene an, in der Joe - ein junger Schwuler, der sich voll für das Spendenprojekt einsetzt - nach Hause kommt, um seine letzten Sachen abzuholen. Seine Eltern haben klar gestellt, dass sie seine Homosexualität niemals akzeptieren werden. Eine Bergarbeiterfrau führt den jungen Mann zum Haus der Eltern mit dem neuen Kleinbus, den die Schwulen und Lesben den streikenden Bergarbeitern gesponsert haben. Groß prangt das Logo »Gays and Lesbians Support the Miners« auf der Tür des Kleinbusses. Wutentbrannt kommt die Mutter angerauscht und herrscht die Frau im Wagen an, sie solle gefälligst das Gefährt von ihrem Besitz entfernen. Die Bergarbeiterfrau (hetera) antwortet legendär: »Wissen Sie, dort - wo ich herkomme - und ich hoffe, sie können das eines Tages auch erkennen - ist ihr Sohn ein Held!« Sie sagt das nicht in Rage, sondern mit einem Unterton mütterlicher Besorgtheit, die die eigentliche Mutter des jungen Mannes auf unaggressive Art entwaffnet. Mutter gegen Mutter - die Situation endet unentschieden. Ich bekam eine Gänsehaut, als ich die Szene sah. Und die mächtige Botschaft dieses Films ist (heute so aktuell wie damals): nichts ist so wirkungsvoll wie Solidarität. Wenn Anderen Ungerechtigkeit widerfährt, ist es falsch wegzuschauen oder den Kopf in den Sand zu stecken - viel mehr bringt es, gemeinsam dagegen anzukämpfen und den Schwächeren unter die Arme zu greifen - bis das Eis bricht. Im gegenwärtig neoliberalen gesellschaftlichen Klima ist das eine ebenso revolutionäre wie aufbauende Message. Ein Film, den man unter keinen Umständen verpassen sollte - ich finde, »Pride« ist der prägende schwule Film für die 2010er Jahre - so wie es die »Rocky Horror Picture Show« für die 1970er, »Priscilla - Königin der Wüste« für die 1990er und »Brokeback Mountain« für die 2000er gewesen ist.
(Jürgen empfiehlt - Sommer 2015)
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