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Giorgio Bassani: Die Brille mit dem Goldrand

Giorgio Bassani: Die Brille mit dem Goldrand

Dt. v. Herbert Schlüter. D 2013, 108 S., Pb, € 10.30
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Wagenbach
Inhalt
Der Roman, der 1987 verfilmt wurde, handelt vom Schicksal des schwulen Ferrareser Arztes Dr. Fadigati in der Zeit des Mussolini-Faschismus. Der Doktor für HNO-Krankheiten genießt in den besseren Kreisen Ferraras hohes Ansehen. Er ist gebildet und kann sich sehr zu seinem Vorteil mit vornehmer Eleganz in der Gesellschaft bewegen. Seine Praxis ist modern eingerichtet und wird gern von den feineren, einflussreichen Leuten der norditalienischen Stadt frequentiert. Ärmeren Kranken erlässt er aber regelmäßig einen Teil der Behandlungskosten. Den Frauen scheint es der Doktor besonders angetan zu haben. Umso mehr stößt die Tatsache, dass der Doktor nicht verheiratet ist, bei den Damen der Gesellschaft auf eine gewisse Verwunderung. Niemand kann sich erklären, dass dieser vornehme, mondäne Herr in den besten Jahren und mit besten Manieren noch immer nicht die richtige gefunden hat. Wegen dieser offensichtlich dunklen Seite wird der Doktor zur Zielscheibe des allgemeinen Tratschs - namentlich, dass er sich für Vertreter des eigenen Geschlechts scheinbar mehr interessieren würde als für Frauen. Doch solange der Doktor keinen Anlass liefert, dass den Gerüchten Glauben geschenkt werden müsste, und die Fassade der Wohlanständigkeit keine Risse bekommt, ist die Welt noch in Ordnung. Man tut seine Ehelosigkeit als kleine Verschrobenheit eines Einzelgängers ab. Da bekümmert es die Ferrareser Gesellschaft herzlich wenig, dass der Doktor im Grunde ein Doppelleben zu führen gezwungen ist. Zu Hause in Ferrara kehrt er seine Homosexualität unter den Teppich. Zweimal die Woche fährt der Doktor aber mit dem Zug in die nicht allzu weit entfernte, nächste Großstadt Bologna, um seine Homosexualität dort anonym auszuleben. Fadigatis Doppelleben funktioniert bis zu dem Tag, als er in einem Boxstall in Bologna dem gut aussehenden Studenten Deliliers begegnet. Vom ersten Moment an ist Fadigati gegen jede Vernunft in den athletischen Schönling ganz vernarrt. Obwohl dieser selbst nicht schwul ist, nimmt er die Geschenke des um viele Jahre älteren Arztes an, lässt ihn gewähren. Deliliers gefällt die Beachtung, die ihm der feine Herr entgegenbringt, genießt auch sichtlich die Annehmlichkeiten. Nun begeht der Doktor eine Unvorsichtigkeit und zeigt sich in Riccione - einem Badeort, in dem sich auch die gute Gesellschaft Ferraras im Sommer gerne aufhält, an der Seite seines jungen Lieblings. Bei den Zeugen dieses Vorfalls erwecken die beiden den Eindruck eines Liebespaares. Dieser Tabubruch spricht sich wie ein Lauffeuer bis nach Ferrara herum. Alle Gerüchte um Fadigati scheinen sich nun zu bestätigen. Plötzlich wird aus dem gern gesehenen Bürger der Stadt ein meist gemiedener Außenseiter, dem die Damen der Gesellschaft nun nicht einmal mehr die Hand reichen möchten. Der Praxis bleiben von einem Tag auf den anderen die Patienten fern. Da der Doktor für Deliliers sein Geld mit vollen Händen ausgegeben hat und nun auch kein neues mehr in die Kasse kommt, verliert Deliliers rasch das Interesse an dem verarmten Liebhaber und macht sich nach einer großen, peinlichen Szene aus dem Staub. Fadigati muss erkennen, dass sein junger Liebhaber ihn nur ausgenutzt hat und seine Liebe auf keine Gegenliebe gestoßen ist. Von allen verlassen oder geächtet, sieht Fadigati keinen Sinn mehr in seinem Leben und nimmt sich selbst das Leben. Die Geschichte des Doktor Fadigati wird aus der Perspektive eines jungen, jüdischen Kommilitonen von Deliliers erzählt, der selbst aus Ferrara stammt und Fadigati als Arzt schon aus Kindertagen kennt. Bassani erzählt diese Geschichte einer sich zusammenbrauenden, persönlichen Katastrophe vor der bedrohlichen Kulisse des Faschismus in einem ruhigen Ton, vermeidet bewusst große Effekte. Bassani (1916 in Ferrara geboren) hatte die Machtübernahme Mussolinis und später auch den aufkommenden Antisemitismus in Italien selbst miterlebt. In »Die Brille mit dem Goldrand« verarbeitet er diese Eindrücke zu einem beklemmenden Kontext, zeigt auch, wie eine prüde Gesellschaft Menschen wegen ihrer Homosexualität in die Isolation, in die Verzweiflung und sogar in den Selbstmord treiben kann. (Jürgen empfiehlt, Sommer Katalog 2007)
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