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John Giorno: Große Dämonenkönige

John Giorno: Große Dämonenkönige

Ein Leben voller Poesie, Sex, Kunst, Tod und Erleuchtung. Dt. v. Urs Engeler. CH/D 2023, 380 S., geb., € 30.90
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Inhalt
Abgesehen davon, dass Giornos Autobiografie wundervoll repräsentativ aufgemacht ist, sie ermöglicht einen durchaus privaten Einblick in die illustren Freundschaften des 2019 betagt verstorbenen, italo-amerikanischen Dichters zu einem Zeitpunkt, als seine Freunde noch jung waren und gerade erst am Anfang ihres Erfolgs standen - darunter Allen Ginsberg, Jack Kerouac, William Burroughs und schließlich Andy Warhol, mit dem Giorno eine durchaus homosexuelle Freundschaft verband. Giorno selbst fing früh mit dem Dichten an und geriet so in den Dunstkreis der Beat Generation. Aber vor allem die intensive Freundschaft zu Andy Warhol ermöglichte es ihm, sich in Kreisen zu bewegen, die ihm wohl sonst verschlossen geblieben wären. Durch Warhol lernt er Berühmtheiten wie Dalí oder Roy Lichtenstein kennen. In Warhols filmischem Frühwerk »Sleep« (1963) übernahm Giorno die (wortlose) Hauptrolle - der Film zeigt über sechs Stunden lang einen Schlafenden und inkorporierte die revolutionäre (und eigentlich unverfilmbare) Idee, Langweile in Film zu fassen. Dieser bahnbrechende Avantgarde-Film brachte Giorno Beachtung im Underground ein - auch wenn er damit bei weitem nicht an die Strahlkraft eines späteren Warhol-Superstars wie Joe Dallessandro heranreichte. Giorno und Warhol waren schon befreundet, bevor Warhol »The Factory« ins Leben rief und darin künstlerische Mitstreiter um sich geschart hat. Giornos eigene Gedichte stehen nicht im Vordergrund seiner Memoiren, auch wenn er immer wieder mit Aktionen wie »Dial-a-Poem« oder Spoken-Word-Performances mit moderner Lyrik experimentierte. Anders als Ginsberg kam er damit nie groß raus. Im Zentrum seiner Memoiren stehen Giornos unzählige Freundschaften und Lieben. Giorno pfeffert seine Memoiren mit expliziten Details, spickt sie mit pornografischen Passagen voller Sex und Drogen - diese verbleiben aber nicht im Belanglosen, sondern entsprechen vielmehr dem New Yorker Zeitgeist (es sind die Jahre um die Stonewall Riots herum) - in diesen Künstlerkreisen lehnte man sich schon früh und sehr keck gegen die Spießigkeit der 1950er Jahre auf. Insofern ist Giorno ein Kind seiner Zeit. Das hemmungslose Ausleben schwuler Lust stand plötzlich hoch im Kurs, bis in den 1980ern Aids diesen paradiesischen Zuständen ein jähes Ende bereitete. Giorno erlebte wie jüngere seiner Künstlerfreunde Keith Haring oder Robert Mapplethorpe von Aids dahingerafft wurden. Er erinnert sich da auch an eine Begegnung mit einem Filmkritiker, einem »tollen Kerl, der manchmal zum Sex vorbeikam«, bereits im Mai 1979. Auf die Frage, wie es ihm gehe, war »schrecklich« die Antwort - und der Sex Buddy berichtete ihm vom überraschenden Tod seines Boyfriends innerhalb weniger Monate. Auf die Frage »War es Krebs?« kam die ratlose Antwort »etwas mehr als bloß Krebs. Es war furchtbar«. Auf die Verunsicherung folgte schlimme Gewissheit. Für Giorno sah es aus wie das totale Scheitern der Bestrebungen um sexuelle Freiheiten, ja der Schwulenbewegung mit all ihren Errungenschaften. Und - um nicht depressiv zu werden - stand für Giorno bald fest, dass gehandelt werden musste - er gründete das AIDS Treatment Project, für das er mit Benefizkonzerten und einem sogenannten »Poetry System« Spendengelder einsammelte. Es sollte sowohl finanzielle Beihilfen in Notsituationen für Aidskranke als auch emotionale Hilfen für Betroffene umfassen. Er selbst führte noch lange eine schwule Beziehung und starb 2019 mit über 80 Jahren.
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