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Andrew Sean Greer: Geschichte einer Ehe

Andrew Sean Greer: Geschichte einer Ehe

Dt.v. Uda Strätling. D 2009, 256 S., Pb, € 10.28
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Fischer
Inhalt
Im San Francisco der 50er Jahre scheint Pearlie mit ihrer Familie ein ruhiges Leben führen zu können. Holland, ihr Mann, ist zwar merkwürdig distanziert, doch seine Erklärung, dies sei auf entsetzliche Erlebnisse während des Krieges zurück zu führen, scheint ihr plausibel. Auch dass er auf seinen Vertreterreisen immer wieder länger von zuhause fortbleibt, erweckt in ihr ebenso wenig Misstrauen, wie die dunkle Warnung Hollands beider alten Tanten, er sei krank, am Herzen, unheilbar - große Vorsicht sei angebracht. Dass diese »Herzenskrankheit« ganz anderer Natur ist, erschließt sich Pearlie erst viel später. Eines Tages als Pearlie wieder einmal allein zuhause ist, steht Buzz vor der Tür, ein alter Freund Hollands, wie er sich vorstellt. Rasch freundet er sich mit Pearlie an, und wird bald zu einem Freund der Familie. Doch eines Tages bekommt Pearlie von Buzz ein Angebot: Für sehr viel Geld soll sie Holland aufgeben, denn Buzz ist in Wahrheit Hollands Lover - und das schon seit den Kriegsjahren. Pearlie reagiert beeindruckend ruhig, über viele Wochen trifft sie sich mit Buzz, sie zögert, Buzz bietet seinen gesamten Charme auf - und natürlich sein sehr großes Vermögen. Das war also das Leiden am Herzen, vor dem sie immer wieder gewarnt worden war. - In dieser Situation und vor dem Hintergrund der repressiven McCarthy-Zeit erzählt Andrew Sean Greer die Geschichte eines schwulen Mannes aus der Perspektive von dessen Frau. Vor allem beeindruckt dabei die Ruhe dieser Erzählung, denn hysterische Eifersuchtsszenen, Besitzansprüche oder moralisierende und selbstmitleidige Reflexionen gibt es nicht einmal im Ansatz. Umso mehr erfährt man darüber, was Menschen von einander nicht wissen, gerade, wenn sie meinen, den anderen gut zu kennen. Doch gerade Zuneigung macht offenbar blind, ihre Liebe zu Buzz lässt Pearlie nicht den Mann sehen, der er wirklich ist, sondern den, den sie erwarten kann. »Liebe macht blind« bekommt durch diesen Roman einen ganz neuen Sinn, denn es ist gerade die Liebe im Einklang mit gesellschaftlichen Rollen, die Erwartungen aufbaut und sie zur vermeintlichen Wirklichkeit werden lässt. Alle Hinweise von außen hatte Pearlie ignoriert oder fast naiv umgedeutet. Im Gegensatz zur Liebe schärft das Begehren den Blick: Buzz sieht in Holland den Mann, den er sexuell begehrt und den er natürlich auch liebt - aber mit dieser Liebe passt er eben nicht in eine gesellschaftliche Rolle, und darum kann er auch viel mehr vom wahren Holland erkennen. Doch wie viel Wahrheit kann letztlich Holland aushalten? An diesem Prüfstein müssen sich auch Pearlie und Buzz messen - für beide scheint die Geschichte ein friedvolles Ende zu finden, doch dieses Ende ist mindestens ebenso bitter wie befriedigend. Andrew Sean Greer hat diese Konfrontation nicht nur durch die feinen und ruhigen Dialoge besonders eindringlich erzählt, durch den Kontrast von repressivem gesellschaftlichem Rahmen und offenen Individuen, Angst in der Öffentlichkeit und Freimütigkeit in der Privatsphäre gelingt ihm eine großartige Darstellung eines schwulen Grundempfindens, nämlich des - wie auch immer konkreten aber unhintergehbaren - Außenseiterbewusstseins. Die Pointe Greers ist dabei, dass dieses Gefühl von Fremdheit zwar ihren Ursprung in der feindlichen und ignoranten Gesellschaft hat, jedoch gerade durch Liebe und Zuneigung zementiert wird. Ein unglaublich intensiver und sprachlich starker Roman - mit einem verstörenden Ende, wenn man sich nicht von der Liebe einlullen lässt. (Veit empfiehlt, Herbst Katalog 2009)
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