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Károly Esztergályos (R): Férfiakt - Der nackte Junge

Károly Esztergályos (R): Férfiakt - Der nackte Junge

HUN 2006, OF, dt.UT, 96 min., € 19.99
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Pro-fun
Inhalt
Nicht so oft gelingt es ungarischen Filmen auf den deutschsprachigen DVD-Markt vorzudringen. Noch mehr gilt diese Feststellung für schwule Filme aus unserem Nachbarland (von denen es ohnehin nicht so viele gibt). »Férfiakt« lässt sich daher nur schwer einordnen. Ob kleines Meisterwerk oder typisch ungarischer Film - es lässt sich aus meiner Perspektive nicht entscheiden. Auf alle Fälle ist der Film sehenswert. Ein nicht ganz unbekannter Buchautor scheint es im Leben geschafft zu haben. Er ist um die 50, scheint glücklich verheiratet zu sein, flirtet in Lokalen auf Teufel-komm-raus mit den hübschen Bedienungen und gibt in Buchhandlungen regelmäßig Signierstunden. Dass er den Höhepunkt seines Erfolgs längst überschritten hat, will er nicht wahrhaben. Und im Grunde steckt er in einer verdrängten Midlife-crisis. Aus seiner Ehe ist die Luft draußen. Den Sex mit seiner Frau empfindet er als Pflicht. Auf der Straße begegnet ihm ein junger, schöner Skaterboy. Was Tibor nicht merkt, ist, dass ihn dieser Bursche von da an verfolgt. In einer Buchhandlung spricht ihn der Junge an. Er möchte von Tibor eines seiner Bücher signiert bekommen, was er auch bereitwillig tut. Doch als es zum Zahlen kommt, hat der Bursche kein Geld dabei und läuft einfach mit dem Buch davon. Tibor hinterher. Draußen auf der Straße treffen sie wieder aufeinander, unterhalten sich. Der Junge gibt Tibor von Anfang an jede Menge Rätsel auf: warum verfolgt er ihn? Ist er einfach nur ein Fan, der Tibors Werk gut findet? Steht er auf reifere Männer? Aber Tibor ist doch eigentlich gar nicht schwul. Ganz lässt ihn die Begegnung jedoch nicht los. Irgendwie kriegt es der Bursche hin, von Tibor auf ein Glas Wein mit nach Hause genommen zu werden. Dort kommen sich die beiden schnell näher. Der Bursche setzt seine ganze Verführungskunst ein, um Tibor rumzukriegen. Und Tibor wird nach einer Weile schwach. Er fickt Zsolt. Und was für Tibor anfangs undenkbar erscheint, wird plötzlich Wirklichkeit: er entwickelt gegen jede Vernunft Gefühle für den schönen Jungen. Insgeheim kommt er nicht mehr von ihm los, obwohl es gute Gründe gäbe, sich von Zsolt schnell wieder zu lösen. In ihm sieht er seine verlorene Jugend. Dabei könnte Zsolt leicht Tibors Sohn sein. Zsolt macht sich über Tibor lustig, spielt mit dessen Gefühlen. Aber einmal geweckt lässt sich die neue Libido bei Tibor nicht einfach abstellen. Er folgt dem Jungen in ein Apartment, in dem er mit einer Reihe schräger Typen und seiner Freundin zu wohnen scheint. Dort haben er und Zsolt Sex unter der Dusche - was Tibor nicht weiß, ist, dass sie dabei gefilmt werden. Jemand will Tibor mit den gemachten Aufnahmen erpressen. Doch dann kehrt Tibors Frau von einer Theatertournee zurück. Plötzlich wird Tibor bewusst, dass ihre scheinbar heile Beziehung nicht mehr funktioniert und sie längst in eine Sackgasse geraten sind. Während die beiden faden Sex miteinander haben, verzehrt er sich insgeheim nach dem abwesenden Zsolt. Dadurch findet er sich zwischen zwei Stühlen wieder: einerseits will er die gesellschaftliche Anerkennung dank einer bürgerlichen Ehe nicht missen, andererseits will er aber seine neu gefundene Liebschaft weder vergessen noch aufgeben. In diesen Zwiespalt hinein taucht Zsolt zuhause bei Tibor auf, als dieser nicht und nur seine Frau zuhause ist. Der Junge gibt sich als befreundeter Jungdichter aus, der sich von Tibor Unterstützung in seinen dichterischen Bestrebungen erwartet. Die Frau glaubt ihm und lässt den Burschen in der Wohnung warten. Als Tibor nach Hause kommt, gerät er in Panik, nachdem seine beiden Welten so unerwartet aufeinandergeprallt sind. Durch seinen ungeschickten Umgang mit der heiklen Situation verprellt Tibor den Burschen, der sich zurückgewiesen und verleugnet fühlt. Tibor glaubt den Zwischenfall ausbügeln zu können. Er sucht Zsolt zuhause auf und verursacht fast einen Eklat, weil der Junge bei seinem Vater nicht geoutet ist. Und überhaupt ist Zsolt auf ihn angefressen und fängt eine Affäre mit Tibors Frau an. Nicht von ungefähr gibt es ein deutliches Thomas Mann-Zitat in diesem Film, der streckenweise immer wieder an Luchino Visconti erinnert. Die thematischen Anklänge an »Tod in Venedig« liegen auf der Hand, obwohl das Topos des alternden Künstlers (hier: Schriftstellers), der sich in einen wunderschönen Jüngling verliebt und deswegen den Boden unter den Füßen verliert, hier stark variiert wird und auch wesentlich physischere Züge annimmt. An Visconti erinnert Károly Esztergályos' Film unter anderem auch durch die eingefangene triste Stimmung. Das Budapest in »Férfiakt« ist nicht das sommerliche, wunderschöne Bilderbuch-Budapest, das jeder kennt, sondern eines, in dem es regnet, ein nächtliches, eines, in dem der Himmel immer grau zu sein scheint. Und diese äußerliche Tristesse spiegelt die Seele der Hauptfigur, die immer mehr im Dunklen tappt und schließlich glaubt, sein spätes Glück auf den letzten Drücker in diesem engelhaften Jüngling zu finden, der doch nur ein junger, wilder Streuner ist. (Jürgen empfiehlt, Frühlings Katalog 2009)
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