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Anuradha Roy: Der Garten meiner Mutter

Anuradha Roy: Der Garten meiner Mutter

Dt. v. Werner Löcher-Lawrence. D 2023, 413 S., Pb, € 12.40
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Inhalt
In »Der Garten meiner Mutter« blickt der in die Jahre gekommene Myshkin auf sein defizitäres Leben zurück - defizitär insofern, als er als kleiner Junge von seiner kunstaffinen Mutter Gayatri in Indien zurückgelassen worden ist, nachdem sie dem schwulen deutschen Lebenskünstler Walter Spiess begegnet war, in ihm eine verwandte Seele entdeckt hatte und ihm ins Inselparadies Bali gefolgt ist - zu einer Zeit, als Bali noch weit entfernt gewesen ist von heutigem Massentourismus. Es sind die 1930er Jahre und Myshkin wächst ohne Mutter bei seinem Vater in einem Indien auf, in dem es zunehmend Bestrebungen zu mehr Unabhängigkeit von der britischen Kolonialmacht gibt.- Gayatri sieht sich als Künstlerin und eines Tages kommen die Deutschen Walter Spiess und Beryl de Zoete bei Gayatri und ihrem Mann vorbei, um indischen Tanz zu lernen. Dabei erkennt Spiess in Gayatri sofort eine Gleichgesinnte und vermittelt ihr ganz bewusst das Gefühl, das Rettungsboot für die Flucht aus einem Leben zu sein, dass einfach nicht das ihre sein will. Sie ergreift die Chance, um ihrem großen Traum von der Kunst außerhalb Indiens zu verfolgen. Entgegen der Tradition flieht sie aus der Rolle der Mutter und Ehefrau und versucht sich dem unstetigen Spiess auf seiner Reise anzuschließen. So etwas ist im kolonialen Indien noch ein Skandal, der wie ein dunkler Fleck Myshkins Seele und seinem Leben anhaftet. Er wird die entstandene Lücke in seinem Leben nie verwinden. Gayatri zeigt kein Interesse mehr an ihrem jungen Sohn oder dem Ehemann. Die Abwesenheit der Mutter formt Myshkins Leben. Er wird Gärtner und kümmert sich um den Garten der Mutter - umgeben von all den Erinnerungen an die schemenhafte Mutter, die ihn für immer verlassen hat, um ihrem eigenen Glück zu folgen.- Mich faszinierte an diesem Roman die Schilderung eines Lebens in Britisch-Indien am Ende der Kolonialherrschaft, das im Hintergrund deutlich brodelnde Zeitgeschehen - zusammen mit der im fernen Europa immer bedrohlicher werdenden Naziherrschaft. Die schillernde Nebenfigur des Weltenbummlers Walter Spiess (zusammen mit der Künstlerin Beryl de Zoete) übt eine zusätzliche Faszination auf den Leser aus. Vieles an ihm bleibt offen. Seine schwule Seite bleibt in Anuradha Roys Buch ausgeklammert und dennoch wird deutlich, wie er als unsteter Lebenskünstler selbst auf Unbekannte eine magische Anziehungskraft ausüben konnte. Als Schwuler hatte er mit den Nazis sicherlich nichts am Hut - geriet später aber doch unter die Räder des Weltkrieges.
Jürgen empfiehlt (Katalog Frühling 2024)
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