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Sara Lövestam: Die Wahrheit hinter der Lüge

Sara Lövestam: Die Wahrheit hinter der Lüge

Dt. v. Stephanie E. Baur. D 2016, 288 S., Pb, € 10.30
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Rowohlt
Inhalt
Gute Unterhaltung und gute Literatur sind kein Gegensatz - wie Sara Lövestam wieder einmal beweist. Zurecht ist der Kriminalroman mit dem Schwedischen Krimipreis 2015 ausgezeichnet worden. Die Handlung, die ganz ohne Mord und Totschlag, Blut und Gewalt auskommt, ist dennoch spannend und vielschichtig. Das bedeutet auch, dass alle, die keine brutalen Krimis mögen, hier voll auf ihre Kosten kommen. Ganz besonders schätze ich an dem Roman die liebevoll gezeichneten Figuren, die nicht nur gesellschaftliche Außenseiter sind, sondern auch zwei Menschen mit ganz komplizierten Lebenssituationen. Da ist Pernilla mit ihrer Tochter Julia, die mitten in einem Einkaufszentrum in Stockholm von der Hand ihrer Mutter weg entführt wird. Die alleinerziehende Mutter ist Anfang 30, und mit der Zeit erfahren wir, dass sie Julia vor der Öffentlichkeit geheim hält, dass das Sozialamt nichts von der Existenz des Mädchens weiß und auch nichts wissen darf. Pernilla, die psychisch labil ist, hat Angst, dass ihr wegen ihrer Labilität Julia weggenommen wird. Zum Glück entdeckt sie im Internet die Anzeige eines Privatdetektivs: »Kontaktieren sie mich, wenn Ihnen die Polizei nicht helfen kann.« Allerdings hat sie sich einen Privatdetektiv komplett anders vorgestellt als Kouplan, der eher wie ein schüchterner Junge aussieht, eine zerschlissene Jacke trägt und viel zu dünn ist. Und tatsächlich ist Kouplan 10 Jahre jünger als sie und hat immer Hunger und Geldsorgen. Kouplan ist ein junger Iraner, der nach Schweden geflüchtet ist und dessen Asylantrag abgelehnt wurde. Seine äußerst ungewöhnliche Geschäfts- idee für einen in Schweden lebenden Illegalen, der auf Arbeitssuche ist, ist natürlich sehr gefährlich, denn als Privatdetektiv kann er auffallen und jederzeit mit der Polizei in Berührung kommen. Aber Kouplan hat keine Wahl, wenn er überleben will und zumindest haben Pernilla und er beide das Interesse, keinen Kontakt mit den Behörden zu wollen. Pernilla bleibt kein anderer Ausweg als ihn zu engagieren, um ihr Kind zu finden, und letztendlich sind beide aufeinander angewiesen. Kouplan weiß, was es heißt unterzutauchen und zu verschwinden, und mit diesem Wissen, seinem feinen Gespür und Kontakten zu Menschen auf der Straße macht er sich auf die Suche nach dem kleinen Mädchen. Zum Teil wirkt das sichtlich unbeholfen, und trotz aller Trostlosigkeit bei stundenlangem Warten im Freien und in irgendwelchen Haus- eingängen, gibt er nicht auf und behält sogar noch seine positive Lebenseinstellung und einen gewissen Humor. Je näher er einer Spur von Julia kommt, je verworrener und ungereimter werden Pernillas Informationen. Dabei ist die vorsichtige Annäherung der zwei Verlorenen und Gestrandeten, Pernilla und Kouplan, die sich in ihrer Unterschiedlichkeit und Bedürftigkeit fast unbewusst Halt geben, wunderschön und einfühlsam beschrieben. Mehr vom Plot wird nicht verraten. Und ist das jetzt ein Lesbenkrimi? Lasst Euch überraschen. Auch das ist behutsam und geheimnisvoll erzählt und fast ein wenig traurig wie die ganze Geschichte. Aber genau das ist das verdienstvolle und wunderbare an dieser Geschichte: Zwei tragische Figuren, vergessen vom Rest der Welt, versuchen auf ihre rücksichtsvolle und fast humorvolle Art, die Wahrheit zu finden und dabei irgendwie unter schweren Bedingungen zu überleben.
(Ilona Bubeck empfiehlt - Winter 2016/17)
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