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Shamim Sarif: Das Leben, von dem sie träumten

Shamim Sarif: Das Leben, von dem sie träumten

Dt. v. Andrea Krug. D 2010, 357 S., geb., € 15.32
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Krug und Schadenberg
Inhalt
Alexander Iwanow, der »King of Catering«, geht auf die 70 zu und will sein Firmenimperium verkaufen. Mit Melissa Johnson, einer jungen Geschäfts- frau, verhandelt er Preis und Konditionen, doch die Gespräche haben sich festgefahren. Melissa ist eine toughe Investorin, die in solchen Geschäften ausschließlich den möglichen Profit sieht. Völlig fremd hingegen ist ihr alles, das nicht unmittelbar den Gewinn optimiert, also beispielsweise die Wertschätzung eines Unternehmens aufgrund der Qualität der Produkte oder der erbrachten Leistung, des Umgangs mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern oder gar des Engagements für soziale Einrichtungen. Doch das sind genau die Dinge, die Alexander so wichtig sind. Melissa hat auch zunächst keine Ahnung, wie Alexander von einem Flüchtling aus der Sowjetunion in den 50er Jahren sich nach und nach seinen Reichtum erarbeitete. Genau sowenig kennt sie Alexanders Vorgeschichte in Moskau, wo Alexander in Katja die Liebe seines Lebens gefunden hatte - doch Katja war von Alexanders bestem Freund auf ihn angesetzt worden, um Alexander, der einen Posten bei der Regierung hatte, für die USA auszuspionieren. Als Katja enttarnt wurde, gelingt nur Alexander die Flucht, Katja wird gefasst und ermordet. Während noch die Verhandlungen laufen, lernt Alexander Melissas Mutter kennen, die mit ihrer Tochter verabredet ist. Die beiden freunden sich an, und auf diesem Weg lernt Melissa auch Alexanders Nichte Lauren näher kennen. Lauren ist Malerin und charakterlich das genaue Gegenteil von Melissa, schöngeistig, intellektuell und von eher ruhigem, abwägenden Temperament. Doch die beiden Frauen finden sich sofort anziehend, auch wenn Melissa, die sich gerade erst von ihrer Freundin getrennt hat, zunächst vorsichtig ist. Als Lauren ihrem Onkel ein Porträt Katjas schenkt, das sie nach alten Fotos gemalt hat, kommen alte Erinnerungen und Verletzungen hoch, und Melissa und Lauren beschließen, gemeinsam nach Moskau zu fahren, um Katjas Tod aufzuklären. Und auf der Reise in die Vergangenheit bricht das Eis zwischen den beiden Frauen. - Der kurze Abriss zeigt es schon: »Das Leben, von dem sie träumten« ist zunächst ein klassischer Genreroman, eine Spionagegeschichte, die als dramatischer Hintergrund aufgebaut wird, um von Liebe, Verrat, Romantik und Gefahr zu erzählen. Was ausspioniert wurde, bleibt ebenso dunkel wie die Strukturen der Geheimdienste. Aber Shamim Sarif entwi- ckelt den Stoff, der bei Konsalik zu einer trivialen Schnulze verkommen wäre, zu einer komplexen Parallelgeschichte. Denn die Konflikte, in denen sich die Romanfiguren finden, sind nur vordergründig Konflikte der Personen mit ihren gesellschaftlichen Verhältnissen. Darum belässt es Shamim Sarif auch bei Allgemeinplätzen, wenn es um gesellschaftliche Rahmenbedingungen wie Kommunismus oder Kapitalismus geht, oder wenn sie Verhaltensmuster einer Businessfrau wie Melissa den Attitüden einer Künstlerin wie Lauren gegenüberstellt. Die Konflikte des Romans entstehen vielmehr daraus, dass die Figuren sich überhaupt für einen Rahmen ihres Handelns, für eine bestimmte Form ihres Auftretens entschieden haben. Diese Grundsatzentscheidungen - wie bei Katja gegen den Kommunismus, bei Melissa für die toughe Business-Frau, bei Lauren für die feinsinnige Künstlerin - führen alle in Sackgassen, wenn sie zu Leitlinien des gesamten Lebens und des Umgangs mit geliebten Menschen gemacht werden. Dabei überzeugt der Roman nicht zuletzt dadurch, dass keiner Lebensentscheidung ein echter Vorteil eingeräumt wird: Die harten Macherinnen scheitern genauso wie die gefühlvollen Künstlerinnen, Erstere müssen erst ihre Schale in Frage stellen, Letztere auch einmal Unangenehmes durchstehen. Und richtig erfrischend ist zu guter Letzt, dass der Roman die Lösung nicht in einem luschigen Kompromiss sieht, als ob sich Gegensätze bloß in der Mitte treffen bräuchten und schon wäre die Welt heil. So bleibt das Glück ein Leben, von dem man bloß träumen, oder das womöglich gefunden werden kann, gerade wenn es nicht auf halber Strecke erwartet wird. (Veit empfiehlt, Herbst Katalog 2010)
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