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Simon Bischoff (R): Er Moretto - Von Liebe leben

Simon Bischoff (R): Er Moretto - Von Liebe leben

CH/D 1984, italien. OF mit dt. UT, 86 min.,  9.99
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Inhalt
»Er Moretto« ist wohl einer der skurrilsten schwulen Filme, die man sich vorstellen kann. In gewisser Weise ist er ein Wrack. Denn der Film, der ursprünglich geplant war, kam aus finanziellen Gründen nicht - genau genommen: zu spät - zustande, so dass im Hinblick auf Machart und Darsteller massive Kompromisse eingegangen werden mussten, die so nicht beabsichtigt waren. Der Schweizer Regisseur Simon Bischoff hatte bei einem Romaufenthalt Anfang der 80er Jahre den damals 13jährigen Franco aus der Stricherszene um den Circo Massimo kennengelernt und war gleich ganz verschossen in das mit allen Wassern gewaschene Bürschchen, das gerade wegen eines Streits mit seinem Vater von zu Hause weggelaufen war. In Bischoff, der seinen Liebling in dieser Zeit ständig mit der Fotokamera begleitete, wuchs die Idee, einen Film mit und über Franco, sein Leben am Circo Massimo und die anderen Stricher zu machen. Doch es fehlte das Geld, um das Projekt zu realisieren. Drei Jahre später, als Bischoff das Geld für den Film endlich zusammen hatte, war Franco bereits 17, hatte sich einen reichen Mann geangelt, der ihm ein respektierliches Leben außerhalb der Stricherszene ermöglichte, und wollte eigentlich mit den Schwulitäten seiner Stricherzeit nichts mehr zu tun haben. Allerdings kann ihn Bischoff für den Film zu einem Interview bewegen, in dem er von seiner Zeit als Sexarbeiter berichtet. Nachdem der Film, den Bischoff eigentlich machen wollte, so nicht mehr möglich war, versuchte er in 80er-Jahre-Manier das Material, das ihm fehlte, durch zum Teil surreale, an Fellini erinnernde Spielszenen, dokumentarische Einschübe und Interviews zu überbrücken. Heraus gekommen ist dabei eine Art Zeitkapsel, ein atmosphärisch stimmiges Zeitdokument über die Stricher- und Schwulenszene Roms in den 80er Jahren, die in dieser Form heute nicht mehr besteht. Als Sinnbild dieser Veränderung nimmt Bischoff einen dokumentarischen Einschub in den Film auf, in dem die »Säuberung« Roms in Form der Zerstörung des durch Gestrüpp und Büsche geprägten Cruising-Areals um den Circo Massimo durch die römische Gemeindeverwaltung und die damit einhergehende »Entwurzelung« der gesellschaftlichen Außenseiter geschildert wird. In unzusammenhängenden Szenen stellt der Regisseur auch die Stricher und Tunten von Stazione Termini vor, zeigt ihren besonderen Humor und Lebenswillen, die Freizeitbeschäftigungen in Discos und am Strand, zeigt einen römischen Kaiser auf Jagd nach Burschen in einem Ruinenareal, in dem auch Tunten und Priester nach schnellem Sex Ausschau halten (und ihn oft auch finden). Wir begleiten einige Stricher ans Meer - dort klagt eine Tunte über die Unzulänglichkeiten der Heteroburschen. Die Art, wie der Regisseur Stimmungen einfängt, sich mit Fantasie behilft, Realität so merkwürdig auf traumhaft Surreales prallen lässt und die gesellschaftlichen Außenseiter zu Wort kommen lässt, ohne sie bloß zu stellen, macht diesen Film so sehenswert. Auch trägt die verwendete, schräge Musik klar dazu bei, dass »Er Moretto« ein Gesamtkunstwerk geworden ist, selbst wenn auf den ersten Blick ersichtlich ist, dass der Film in einer Art Patchwork aus Fragmenten zusammengesetzt wurde, die eigentlich nicht zusammenpassen wollen. Heute - insofern auch ein Zeitdokument - in einer Zeit, in der der mainstream dominiert, wäre ein solcher Film nicht mehr denkbar - ein Film, bei dem die Entstehungsgeschichte fast interessanter ist als die Geschichten, die er erzählt. (Jürgen empfiehlt, Frühlings Katalog 2006)
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