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Dennis Cooper: Mein loser Faden

Dennis Cooper: Mein loser Faden

Dt. v. Raimund Varga. Ö 2018, 160 S., geb., € 18.50
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Luftschacht
Inhalt
Wie ein roter Faden ziehen sich Abgründe modernen jugendlichen Daseins in den USA durch das umfangreiche Werk von Dennis Cooper. Immer kommen junge Burschen zu Schaden - durch Zufall oder absichtlich. Oft ist nicht ganz klar, ob der Autor auf surrealistische Traum- (und Lustmord-)Fantasien abzielt oder er reale Tötungen beschreibt. Seine Art zu schreiben geht dem Leser an die Nieren. Nicht anders ist es in »Mein loser Faden«, in dem er mit schonungsloser Tristesse das ziellose, oft derbe Treiben einer Gruppe von Teenagern in einer nicht näher benannten Stadt in den USA anvisiert: Im Mittelpunkt stehen junge rechtsextreme weiße Männer (rechtsextrem mehr aus gewaltverliebter Lust am Quälen ihrer nicht-weißen Mitschüler denn aus ideologischer Verblendung). Cooper erlaubt durch diesen Blick auf eine verrohte, völlig unempathische, zu allem fähige und eigentlich perspektivlose Jugend eine neue Sicht auf den Niedergang der USA in Zeiten des rücksichtslosen Populismus. Anführer der Jugendlichen in Coopers Roman ist Gilman, der sich für etwas Besseres hält und glaubt, den Anderen um Längen überlegen zu sein. Er und seine Anhänger haben eine Liste, auf der die Namen von Mitschülern verzeichnet sind, die - aus Spaß oder weil sie als minderwertig erachtet werden - bei Gelegenheit ermordet werden sollen. Gilman setzt sogar eine Prämie von 500 Dollar aus für denjenigen, der Bill umbringt. Gilman hat es dabei auf Bills Tagebuch abgesehen; darin befinden sich womöglich peinliche Dinge über ihn. Immerhin hat er mit Boys gefickt. Aber so richtig schwul sein will er nicht - und auch ja nicht dafür gehalten werden. Und was wenn Bill sich in seinem Tagebuch genau darüber ausgelassen hat? Gilman weiß es nicht genau; vermutet aber das Schlimmste. Ursprünglich sollte Pete den Mordauftrag ausführen - doch der ist viel zu zimperlich und weiß sich nicht zu helfen. Er kann ja unmöglich zu Gilman hingehen und sagen, dass er es nicht über sich bringt, den Mitschüler umzubringen. Also wendet er sich an Larry, der anders als Pete keine Hemmungen zu haben scheint, Bill zu beseitigen. Äußerlich kaltblütig ist Larry innerlich zerfressen von Schuldgefühlen - hat er etwa einen Freund auf dem Gewissen? Und dann wäre da ja auch noch Larrys kleiner Bruder, den er zwar schlecht behandelt, der ihm dennoch sehr ans Herz gewachsen ist. All die Jungs aus »Mein loser Faden« haben nichts als Ficken und Gewalt im Kopf. Freundschaft und Beziehung sind nur Worte, die an sich keine Bedeutung mehr haben in ihrer Welt. Sicherlich gibt es so etwas wie Loyalität - ausgerichtet nach dem Machtgefälle zwischen den Jungs. Getrieben werden sie alle von einer mächtigen inneren Leere, die sich zu Langeweile und Frustration auswachsen und jederzeit zum Kurzschluss führen kann (und schließlich fallen ja auch Schüsse). Der Blick in diese Teenagerköpfe hat etwas von einem widerlichen Albtraum - ihre Gedanken schwanken zwischen pubertärer Großkotzigkeit, weinerlicher Feigheit und eiskalter Brutalität - und ebenso sprunghaft sind ihre Handlungen. Sie beschimpfen sich gegenseitig, haben kein Vertrauen und keine Perspektive in einer trostlosen Gesellschaft. Mitgefühl ist in ihrem »Freundeskreis« ein Fremdwort. Dabei könnten sie sich untereinander Halt geben. Doch diese Option steht den Jungen nicht offen. Vielmehr dominiert eine innere Zerrissenheit. Dennis Coopers Romane waren noch nie etwas für zarte Nerven. So auch »Mein loser Faden«. Die deutsche Ausgabe des Buches ist wunderschön edel gemacht und steht in krassem Kontrast zum Inhalt. Wie ich finde, enthält das Buch in aller Schonungslosigkeit einen wahren Ausblick darauf, wo die USA gerade hinsteuern.
Jürgen empfiehlt (Winter 2019/20)
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