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Mohamed Leftah: Der letzte Kampf des Kapitän Ni'mat

Mohamed Leftah: Der letzte Kampf des Kapitän Ni'mat

Dt. v. Laura Skipis. D 2017, 250 S., geb., € 13.26
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Größenwahn
Inhalt
Mohamed Leftahs Roman »Der letzte Kampf des Kapitän Ni`mat« gehört zu einer ganzen Reihe von Neuerscheinungen der letzten Jahre, die das Thema »Homosexualität und Muslime« behandeln. Der französisch-marokkanische Autor Leftah erzählt in diesem Roman, der erstmals 2011 (drei Jahre nach dem Tod des Autors) posthum erschien, die Geschichte eines alten Ägypters, der - lange pensioniert - sich auf vergangenem Kriegsruhm als Kampfpilot ausruht und mit seinen Freunden die Nachmittage im öffentlichen Schwimmbad verbringt. Alles deutet auf einen ruhigen Lebensabend hin: Ni'mat ist verheiratet, hat erwachsene Töchter, die im Ausland studieren. Er hat seinen Dienst fürs Vaterland getan - nicht zuletzt in den kriegerischen Auseinandersetzungen Ägyptens in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Ni'mat, den alle respektvoll Kapitän nennen, ist überall hoch angesehen und durchaus wohlhabend. Er lebt mit seiner Frau Mervet, dem Diener Islam und einem Hund in einer feinen Gegend von Kairo. Er hält sich zugute, stets progressive, ja zeitweise offen linke bis revolutionäre Ideen vertreten zu haben. Doch seit seiner Pensionierung ist an ihm vorübergegangen, dass sich in der Gesellschaft etwas zu verändern begonnen hat.
Eines Tages - Ni'mat trifft sich wieder einmal mit seinen Freunden im Schwimmbad, um sich beim Schwimmen abzukühlen und um mit den alten Freunden am Pool über dies und das zu plaudern - als eine Gruppe junger Sportschwimmer die Idylle der alten Herren stört, hat Ni'mat ein Schlüsselerlebnis. Aus der Irritation durch die von den Jungs ausgelöste Unruhe wird plötzlich Faszination für ihre schönen, athletischen Männerkörper. Die Verwunderung über die unerwartete homoerotische Bezauberung durch die Jungenleiber weicht einer neuen Experimentierfreudigkeit, die Ni'mat selbst überrascht. Die Massagestunden mit Ni'mats Diener Islam ufern immer mehr in sexuelle Erlebnisse aus. Der junge Nubier ist anfangs völlig verwirrt von den Wünschen seines Herrn, tauscht sich mit Landsleuten in Kairo und Freunden darüber aus. Letztere gehören der Islamistenszene an und raten ihm, von dem homosexuellen Verhältnis tunlichst Abstand zu nehmen.
Ein Gerücht macht nun die Runde, dass Kapitän Ni'mat ein passiver Homosexueller sei - etwas, das auch NI'mats Frau nicht verborgen bleibt. Während die Beziehung Ni'mats zu Islam immer enger (und sexuell auch immer gefälliger wird), steuert das Verhältnis Ni'mats zu seiner Frau auf einen Eklat zu.
Erst erklärt sich Ni'mat zu einer Reise nach Mekka bereit. Danach kündigt er seinen Diener und Liebhaber. Doch es hilft alles nichts. Ni'mat kann sich nicht von Islam lösen, ist in den jungen Mann verliebt und sieht sich als dessen »Ehefrau«. Da nichts fruchtet, verlässt Ni'mat seine Frau und sein Haus, zieht mit Islam in eine einfache Wohnung in einem Armenviertel von Kairo. Doch auch dort können die beiden nicht in Frieden als schwules Paar leben. Die Homosexualität der beiden spricht sich schnell herum. Schmierereien an der Haustür fordern die beiden auf abzuhauen oder beinhalten üble Drohungen.
Leftahs Roman erzählt die Geschichte eines Mannes, der im Alter seine Homosexualität entdeckt, zu seiner glücklichen schwulen Liebe steht und die Konsequenzen - gesellschaftliche Ächtung im modernen Ägypten - auf sich nimmt, um seinem Liebhaber nahe sein zu können. Die verquere Doppelmoral: hätte Ni'mat seinen Untergebenen gefickt, hätte er wohl als toller Hengst durchgehen können, der sogar einen Kerl besteigt - andersrum aber - im passiven Fall - gibt es nur Verheimlichung oder Ächtung. Mehrfach wird in dem Roman ein Vorfall erwähnt, der für schwule Ägypter und auch Leftah, der in Ägypten lebte, ein Schockerlebnis darstellte: 2001 wurden die Gäste auf einem Partyschiff auf dem Nil rundweg verhaftet, weil sie angeblich die Religion verletzt und sich Ausschweifungen hingegeben haben. Tatsächlich existiert im heutigen Ägypten kein Gesetz gegen Homosexualität. Schwulen und für homosexuell Gehaltenen werden andere Gesetzesübertretungen bis hin zum Satanismus unterstellt. Mit den Verhafteten wurde wenig Federlesen betrieben. Die meisten von ihnen wurden öffentlich gedemütigt und gefoltert. Im Gefängnis wurden viele von Polizisten als eine Art Freiwild vergewaltigt. Und von einem fairen Prozess konnte nicht die Rede sein.
Dieses Ereignis der jüngeren ägyptischen Geschichte hat viele Schwule traumatisiert - auch die Tatsache, dass es nicht nur keinen Aufschrei der Zivilgesellschaft gegen diese Polizeiwillkür - die von der Obrigkeit gedeckt wurde - gab, sondern dass vielmehr von Seiten hoch gestellter Persönlichkeiten wie Richtern und Religionsgelehrten die Vorgehensweise der Polizei für rechtens erklärt und zu ihren Übergriffen applaudiert wurde.
Ein Echo dieser unsäglichen Vorgänge findet sich auch in Leftahs Roman wieder: Kapitän Ni'mat weiß um die Tragik dieser Vorfälle und sieht gleiches Unheil auf sich selbst zukommen. Revolutionärer Geist, der er nun mal ist, entscheidet er sich für die Liebe und das Risiko, auch wenn es seinen Untergang bedeuten kann.

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