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Sylvia Roth: Claire Waldoff - Ein Kerl wie Samt und Seide

Sylvia Roth: Claire Waldoff - Ein Kerl wie Samt und Seide

Romanbiografie. D 2017, 288 S., Broschur, € 19.95
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Herder
Inhalt
Claire Waldoff war eine bemerkenswerte Frau - nicht nur in ihrer Zeit. Geboren im Ruhrgebiet der Kaiserzeit war sie schon als Kind und Jugendliche eigensinnig. Als sie von dem Projekt eines Mädchengymnasiums in Hannover hört, an dem junge Frauen für die damals neue Möglichkeit der universitären Ausbildung vorbereitet werden sollen, schafft sie es allen Widrigkeiten zum Trotz, dort zur Schule zu gehen. In Hannover kommt sie in Kontakt mit der Schauspielerei, von der sie so fasziniert ist, dass sie fast froh ist, die Schule vorzeitig beenden zu müssen, weil ihre Eltern das Schulgeld nicht mehr aufbringen können bzw. wollen. Voller Enthusiasmus erlernt sie als Autodidaktin die Schauspielerei, tingelt durch Europa und landet schließlich vollkommen mittellos in Berlin. Wiederum mehr durch Not als aufgrund eines Plans versucht sich Claire Waldoff in Kleinkunst - und entdeckt die berufliche Leidenschaft ihres Lebens. Gerade weil sie keine geschliffene Stimme hat und weil sie niemals versucht zu kokettieren, trägt sie ihre Lieder so überzeugend vor, dass sie in kurzer Zeit als Inbegriff des Berliner Lebensgefühls gilt. Die Leidenschaft ihrer Liebe hingegen gilt Olly von Roeder, mit der sie nicht nur bis zu ihrem Lebensende zusammenlebt, sondern mit der sie auch die Berliner Lesbenszene um sich schart. Ein auch für heutige Verhältnisse ungewöhnliches, öffentliches Leben als lesbisches Paar. Doch die Romanbiografie von Sylvia Roth beschreibt Claire Waldoff nicht nur als leuchtend kecke Ikone früher Emanzipation. Es geht auch um Claire Waldoffs enthusiastische Verblendung zu Beginn des ersten Weltkriegs; auch ihr Umdenken erscheint nicht als intellektuelles Bekehrungserlebnis, sondern der harten Erfahrung zunehmender Verarmung geschuldet. Und auch gegenüber den Nazis nahm Claire Waldoff nicht immer eine rühmliche Stellung ein, um ein Auftrittsverbot zu verhindern, scheute sie auch vor schierer Anbiederung nicht zurück. Und schließlich schildert der Roman auch ihr Alter: Während des Krieges fast ohne Auftrittsmöglichkeiten war Claire Waldoff in der jungen Bundesrepublik fast vergessen und musste erkennen, dass ihr persönlicher Ton nicht mehr derjenige war, der treffsicher ein gegenwärtiges Lebensgefühl zum Ausdruck brachte. Eine packende und faszinierende Schilderung eines vielschichtigen Lebens, zu dem es nicht einfach ist, abschließend Stellung zu beziehen.
Veit empfiehlt (Frühling 2017)
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