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Angelika Klüssendorf: April

Angelika Klüssendorf: April

D 2014, 224 S., geb., € 19.60
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Inhalt
Ich war gespannt, ob mich der Fortsetzungsroman »April« genauso begeistern würde, wie seine Vorgeschichte »Das Mädchen« von Angelika Klüssendorf? Zunächst einmal ist die Sprache ebenso nüchtern, distanziert und schnörkellos, wie es besser nicht sein kann und ich es liebe zu lesen. In einem Interview wurde die Autorin als Kitschvernichterin bezeichnet - was ich sehr treffend finde und was ich mir so oft in anderen Romanen wünschen würde.
Aus dem Mädchen, das einer gewalttätigen Mutter und einem alkoholkranken Vater ausgesetzt war, ist eine heranwachsende junge Frau geworden. Sie hat sich selbst einen Namen gegeben: April, nach dem Deep Purple Song, für mich bereits ein Akt der Rebellion und Emanzipation. Der Schauplatz der Handlung ist dieses Mal eindeutig die DDR, Leipzig Ende der 70iger Jahre. Am Anfang des Romans ist sie 18 Jahre alt, trägt Westklamotten, wird aus dem Heim entlassen und hat von der Jugendhilfe ein Zimmer zugewiesen bekommen, als Untermieterin bei einer alten merkwürdigen Seniorin.
April ist einsam, unangepasst, rebellisch, magersüchtig, zu Alkoholexzessen neigend, sich in Literatur flüchtend, und am meisten gegen sich selbst kämpfend. Sie sucht die Nähe zu Künstlern und Literaten, zu interessanten Menschen, die sie faszinierend findet, aber vor allem, um nicht allein zu sein. Sie stellt eine Untergrundmappe »Anschlag« zusammen und verteilt sie. Sie versucht sich das Leben zu nehmen und landet eine zeitlang in der Psychiatrie und kommt durch einen guten Arzt wieder raus. Sie sucht sich Männer über ihre Sprache, ihren Intellekt und nicht über ihren Körper. Männer, die versuchen sie zu retten, ihr Halt zu geben, und die sie betrügt, verlässt und wiederfindet.
In diesen Jahren der Selbstzerstörung und Selbstfindung bekommt April viel zu früh einen Sohn, den sie liebt, aber auch vernachlässigt. Zumindest versucht sie die Gewalt nur gegen sich selbst zu richten, und nicht gegen das Kind. Und immerhin gibt es den fürsorglichen Vater des Kindes. Schließlich bekommt sie mit Mann und Kind die Ausreisegenehmigung nach West-Berlin, und fühlt sich auch da erstmal fremd und verloren. In diesem schmerzvollen Erwachsenwerden, die Vergangenheit hinter sich lassend, den Kindheitsmustern entrinnend, immer wieder Grenzen zu überschreiten, sich selbst verlieren und finden, gibt es einen Hoffnungsschimmer. April ist verletzlich und zerbrechlich, aber genauso zäh und stark und wie im ersten Roman eine Kämpferin und niemals Opfer. Und mit Hilfe von Kunst, Literatur und ihrer Widerstandskraft überlebt sie und findet ihren Weg aus dem eigenen inneren Chaos und aus den gesellschaftlichen Zwängen. Dies ist kein Lesbenroman, schon gar keine Wohlfühlgeschichte, aber ein zweites Mal zeigt die Autorin unsentimental und beklemmend wie eine junge Frau sich dank Literatur vor den eigenen und äußeren Abgründen rettet. Einfach großartige Literatur!

(Ilona Bubeck empfiehlt - Winter 2014/15)
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