Archiv für den Monat: April 2013

Was ist ein lesbisches oder ein schwules Buch?

Von Veit Georg Schmidt

Sonette von Shakespeare

Sonette von Shakespeare

Immer wieder wird die Frage aufgeworfen, was eigentlich ein schwules oder lesbisches Buch sei. Vermeintlich eine einfache Frage, die eine komplizierte Antwort erwarten lässt, denn „lesbisch“ oder „schwul“ bezieht sich ja zunächst einmal auf Menschen und kann nur in einer abgeleiteten Bedeutung auf Bücher bezogen sinnvoll sein. Tatsächlich ist es aber genau umgekehrt: Die Antwort ist einfach, die Frage hingegen versteckt oft ein ganzes Bündel an Verunsicherungen, die von blanker Ignoranz über betretene Peinlichkeit bis hin zur Abwehr lesbischer und schwuler Ansprüche reichen.

Zunächst also zur Antwort, die insbesondere aus der Sicht einer gut sortierten lesbisch-schwulen Buchhandlung so einfach ist: Lesbisch oder schwul ist ein Buch immer dann, wenn es in einer lesbisch-schwulen Buchhandlung steht. Diese Formel fasst verschiedene Aspekte der Wahrnehmung von Büchern und des Umgangs mit ihnen zusammen und stellt vor allem die Zusammenstellung und die Präsentation in den Vordergrund, nicht aber ein objektives, ein dem Buch wie eine Essenz anhaftendes Merkmal. Weiterlesen

Philipp Wagner: Mein Lieblingsfilm

Stephan Elliott: The Adventures of Priscilla, Queen of the Desert

Priscilla - Queen of the desert

Priscilla – Queen of the Desert

Mein Lieblingsbuch? Keine Ahnung. Viele, und zu unterschiedlichen Zeiten verschiedene. Leider nicht immer das, das ich gerade lese…
Ich frage meinen Mann. Der wirft einen hilflosen Blick in das übervolle Bücherregal. »Ich darf auch meinen schwulen Lieblingsfilm vorstellen.« Ohne nachzudenken meint er, »Priscilla«. Und er hat recht.

Ich weiß nicht, wie oft ich diesen Film gesehen habe, und den Soundtrack habe ich ständig sowohl im Ohr als auch in diversen Abspielgeräten. »The Adventures of Prisicilla, Queen of the Desert« ist ein wunderbar bunter Film, aber nicht nur Feel-Good, nicht Kitsch pur. Ein schwules Road Movie.
Unsere Titelheldin ist ein umfunktionierter Schulbus, mit dem Anthony ‚Tick‘ Belrose, besser bekannt als Mitzi del Bra, Adam Whitely, auf der Bühne Felicia Jollygoodfellow, und Bernadette Bassenger Australien durchqueren. Weiterlesen

Raik Thorstad: Mein Lieblingsbuch

Marion Zimmer Bradley: Trapez

Wer viel liest, hat viele Lieblingsbücher. Das gilt auch für den schwul-lesbischen Bereich. Insofern fällt es mir schwer, ein einzelnes Buch aus dem Regal zu nehmen und alle anderen beleidigt in der Ecke zurückzulassen. Aber nachdem Lynn Flewellings großartige Bücher schon so schön besprochen wurden und bestimmt noch andere Lieblinge von mir über andere Teilnehmer ins Spiel kommen werden, wende ich mich Marion Zimmer Bradley und ihrem »Trapez« zu.

Marion Zimmer Bradley: Trapez

Marion Zimmer Bradley: Trapez

Der neue 1979 erschienene Roman ist das, was man unter einem Wälzer versteht. Meine alte Ausgabe von Heyne umfasst etwa 850 Seiten. Damit ist das Buch genau richtig, um darin zu „verschwinden“. Man behält die Charaktere lange bei sich, kann sich an sie gewöhnen und tut sich hinterher entsprechend schwer, sie wieder ziehen lassen.
»Trapez« ist eine Reise durch die USA in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts. 1944 treffen wir zum ersten Mal auf die Flying Santellis. Die Akrobatenfamilie zieht mit einer namhaften Gruppe Schausteller durch das Land und zeigt ihre atemberaubenden Kunststücke am Trapez. Zu ihnen stößt der Tommy Zane, dessen Eltern seinerseits mit dem Zirkus reisen. Als sich herausstellt, dass ihm das Fliegen im Blut liegt, schließt er sich der Akrobatenfamilie an. Einer der Söhne – der ehrgeizige Mario Santelli, der hart arbeitet, um den berüchtigten Salto Mortale zu erlernen – hat es Tommy besonders angetan. Die gemeinsame Arbeit und Leidenschaft für die Akrobatik bringen die Jungen einander näher. Weiterlesen

Stephan Niederwieser: Mein Lieblingsbuch

John Niven: Gott bewahre

John Niven: Gott bewahre

John Niven: Gott bewahre

Ich liebe Bücher. Es wäre vermessen, eins herauszustellen, von einem zu behaupten, ich würde es mehr lieben als alle anderen. Das würde mir Angst machen. Dass mich die anderen nicht mehr lieben. Nicht mehr begleiten. Mich nicht mehr in ihre Traumwelten hinabgleiten lassen. Das bestimmt wichtigste Buch war seinerzeit Leavitts »Die verlorene Sprache der Kräne«. Wie habe ich es geliebt?! Aber seither sind so viele andere große Romane geschrieben worden. Und was wäre mein Bücherregal ohne die Klassiker? Isherwoods ‚Einzelgänger‘, Hollinghursts ‚Schwimmbad-Bibliothek‘, Kramers ‚Schwuchteln‘?

Gerne habe ich »Gott bewahre« von John Niven gelesen. Es ist so herrlich subversiv, spielt mit vielen Heiligtümern, lässt Jesus Marihuana rauchen, Gott grantig, ungeduldig und herrschsüchtig sein, und die Schwulen – obwohl die Gott ganz besonders mag – kommen auch nicht immer gut dabei weg. Weiterlesen

»Warum gibt es das nicht auch in Wien?«

Zur Geschichte der Buchhandlung Löwenherz – Teil 1 – von Jürgen Ostler

Katalog der Buchhandlung "Sodom" aus München von 1984

Katalog der Buchhandlung „Sodom“ aus München von 1984

Als mich 1991 meine beste Freundin Manuela darauf hinwies, dass sie im »Falter« eine Anzeige gelesen hätte, in der ein Buchhändler für das neue Projekt einer schwulen Buchhandlung in Wien gesucht würde, gab es meinerseits nicht den geringsten Zweifel der Sinnhaftigkeit einer solchen Unternehmung – im Gegenteil: ich kannte schon zwei der schwulen Buchläden in Deutschland – nämlich »Sodom« in München und »Männerschwarm« in Hamburg.
Zusammen mit meinem langjährigen Boyfriend Peter hatte ich in den 80ern noch sinniert, warum es so etwas wie das »Sodom« eigentlich in Wien noch nicht gäbe. Als ob eine Buchhandlung wie ein Pilz aus dem Boden schießen müsste, sobald ihre Notwendigkeit erst einmal auf der Hand lag. Dass zwischen der puren Idee und deren endgültiger Realisierung ein steiniger, viel Geld verschlingender Weg liegen würde, hatten wir in unserem jungen Enthusiasmus natürlich nicht bedacht. Weiterlesen

Andreas Brunner: Mein Lieblingsbuch

buchregal.jpgWas für eine schwierige Frage! Mein schwules Lieblingsbuch. Es gibt so viele. Und das ultimative ohnehin nicht. Welches Buch für welchen Lebensabschnitt wählen?
In den 1980er Jahren war es sicher »Die Konsequenz« von Alexander Ziegler, für mich das erste Buch, in dem für mich Homosexuelle als Menschen (wenn auch als Opfer) gezeigt wurden – aus heutiger Sicht eine über weite Strecken schwer erträgliche Sozialromanze. Oder in den 1990er Jahren David Leavitts »Die verlorene Sprache der Kräne«, der in einer schwulen Großstadtwelt seinen Helden an Mutter und Freund_innen leiden lässt – auch etwas in die Jahre gekommen. Oder sollte ich doch eher »Abel und Joe« von Michael Sollorz nennen, weil er das »Im-Löffelchen-liegen« so einzigartig schön beschrieb.

Oder sollte ich mich gleich in den literarischen Olymp aufschwingen und Marcel Prousts »Unterwegs zu Swann« nennen (nein, nicht die ganze ‚Recherche‘, die hätte ich gerne gelesen), ein Buch, das mich nachhaltig beeindruckt hat und noch immer beeindruckt. Doch ist Prousts mäanderndes Gesellschaftsporträt nur unterschwellig „schwul“. Und so entscheide ich mich bei der Wahl meines aktuellen „schwulen“ Lieblingsbuchs auch für ein eigentlich „unschwules“ Buch. Weiterlesen

Roland Humer: Mein Lieblingsbuch

Rujana Jeger: Darkroom

Rujana Jeger: Darkroom

Rujana Jeger: Darkroom

Ist Rujana Jegers »Darkroom« ein schwules Buch? Naja, der Titel wäre schon einmal ‚viel versprechend‘. Aber davon sollte man sich nicht in die Irre führen lassen: Schwülstige Beschreibungen erotischer Aktivitäten sucht man in dem Buch vergebens. Es ist ein Buch aus der Mitte des Lebens, in dem sie viele Facetten des Daseins beschreibt. Und einer von mehreren Protagonisten ist schwul. Also ganz normal…

Rujana Jeger beschreibt das Leben – eigentlich ihr Leben – in kurzen und kurzweiligen Episoden. Aber doch finden die kleinen Passagen immer wieder ihre Fortsetzung, und wir treffen die gleichen Familienmitglieder und Freund/innen immer wieder. Das Leben, das sie beschreibt, ist ein Leben zwischen Kindheit und Erwachsensein, ‚Jugoslawien‘ und deutschsprachigem Raum, philosophischen Gedanken und körperlichen Grundbedürfnissen, Krieg und Frieden, Nüchternheit und Rausch, Ernst und Spaß. Weiterlesen