Sebastian Weise: Mein Lieblingsbuch

Christa Wolf: Medea. Stimmen

Christa Wolf: Medea. Stimmen

Christa Wolf: Medea. Stimmen

Medea: ein Schlagwort, welches sofort an Kindsmörderin, Hexe, Bosheit und Intrigen erinnert. So kennen viele den Medea-Mythos. So muss es also geschehen sein, richtig? Christa Wolf, selbst zu einem Sündenbock nach der Wende in Deutschland der 1990er Jahre geworden, widerspricht diesem Bild. Medea ist in ihrem Roman eine starke und selbstbewusste Frau.

Diese selbstbewusste Frau wurde durch politische Spannungen aus ihrer eigenen Heimat vertrieben. In der neuen Heimat Korinth kommt es zu sozialen Spannungen, da hier zwei verschiedene Gesellschaften aufeinandertreffen. Die Korinther sind den Kolchern, den Neuankömmlingen, gegenüber nicht wohlwollend, sogar kritisch. Am Hofe Kreons, dem König von Korinth, sieht Akama, ein Berater des Königs, diese soziale Spannung als Chance seine Macht zu festigen und Medea als Gegnerin zu vernichten. Indem Medea nun nacheinander den Zorn der Korinther und danach den der Kolcher verspürt, wird sie schließlich angeklagt und für verschiedene Vergehen verurteilt. Der Selbstmord von Glauke, der Tochter des Königs, ist nur eines der Vergehen, welches Medea zu verantworten habe. Fortan muss sie in der Verbannung leben, ihr Mann bleibt am Hofe und will König von Korinth werden, die gemeinsamen Söhne werden vom Volk gesteinigt. Um die eigene Schuld von sich zu weisen wird das Volk behaupten, dass Medea ihre Kinder umgebracht hat.

Mit dieser Medea zeigt Christa Wolf wie nützlich Sündenböcke für eine Gesellschaft sind, besonders soziale Spannungen und Schuldgefühle können durch sie gelindert werden. Jedoch zeigt die Autorin noch etwas ganz anderes, nämlich hinter Gegebenheiten wie einen Mythos zu blicken, alte und scheinbar unveränderliche Dinge zu hinterfragen.
Mir persönlich gefällt die Kritik an die Gesellschaft und auch die Aufforderung, so habe ich es jedenfalls verstanden und gelesen, selbst hinter die gängige Darstellung von alten Mythen zu blicken und sich sein eigenes Bild zu machen. Folgt man diesen Gedanken, müsste auch Christa Wolfs Medea hinterfragt werden, Medea erscheint dem Leser damit als eine veränderbare und ungreifbare Figur.

Ich persönlich halte diesen Roman nicht nur für die deutsche Gegenwartsliteratur als sehr wichtig, sondern auch für die homosexuelle Gegenwartsliteratur, denn ein interessanter Punkt wäre doch, den Sündenbock über die Gesellschaft triumphieren zu lassen, ihr aufzuzeigen, dass die Gesellschaft ihre Schuld nicht auf eine Person übertragen kann und sich dadurch mit den eigenen Missständen der Gesellschaft beschaffen muss.

Man sieht, ein Lieblingsbuch muss mich zum Nachdenken bringen, Fragen aufwerfen und irgendwie zeitlos sein.

Ich hoffe nun, dass ich euch etwas begeistern konnte. Chrsita Wolf ist eine Autorin, die es zu lesen lohnt.

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Sebastian Weise

Ich bin 22 Jahre jung und studiere zurzeit an der Universität Wien Politikwissenschaft und Vergleichende Literaturwissenschaft. Mit Freunden betreibe ich den komparatistischen Literaturblog Post Lit.

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