Nachruf auf Jan Stressenreuter

12. XII. 1961 – 17. XII. 2018

Jan Stressenreuter war ein besonderer Autor. Wie kein anderer verstand er es, den Ton schwulen Lebensgefühls zu treffen, gerade auch in Zusammenhängen, die sperrig und abweisend sind. In »Mit seinen Augen« erzählte er von schwuler Liebe in der Repressionszeit der 50er Jahre – und unter Tränen erzählten damals unsere älteren Kunden, die diese Zeit noch erlebt hatten, wie es sie berührte, dass ein aus ihrer Perspektive so junger Autor diese Zeit so treffend und so anrührend schön beschrieben habe.

In »Wie Jakob die Zeit verlor« kontrastierte er die AIDS-Krise der 80er Jahre mit der Gegenwart – und als er das Buch bei uns im Laden präsentierte, entwickelte sich ein intensives Publikumsgespräch, als auf einmal die jüngeren Gäste die älteren nach ihren Erlebnissen fragten und die älteren zu erzählen begannen. Jan hat seine Leserinnen und Leser mit seinen Texten gepackt, zum Nachdenken und zum Sprechen gebracht. Eine große schwule Liebesgeschichte gibt es in allen seinen Romanen und stets auch lustige Szenen, oft bis hin zum Slapstick – was wir Jan als unnötige Übertreibung oft auszureden versuchten. Aber Jan hat beharrlich auf seiner Art des Erzählens bestanden, auch wenn er jederzeit begierig war, Einwände und Anregungen zu hören und umzusetzen, wenn er fand, dass die Kritik berechtigt war. Und immer wieder sprach er davon, dass das Buch, auf das er schon so lange hinarbeitete, eine Zukunftsgeschichte wäre – düster im Ausblick, weil Jan skeptisch war, ob die Errungenschaften der schwulen Emanzipation von Dauer wären, – hoffnungsvoll, ja frohgemut in der Haltung, denn schwule Liebe und herzhaftes Lachen können niemals verschwinden, da war er sich sicher. Umso trauriger, dass er das Erscheinen seiner Dystopie »Weil wir hier sind« nicht mehr erlebt: Jan Stressenreuter ist am Tag, als sein Verleger die Fassung mit den Endkorrekturen an ihn abschickte, gestorben. Wir verlieren nicht nur einen Autor und Freund, er fehlt uns, weil er unserem Leben eine Stimme gegeben hat.

(Veit Georg Schmidt, erschienen zuerst im Frühlings-Katalog 2019 der Buchhandlung Löwenherz)

Jan Stressenreuter - Foto: Gernot Schubert
Jan Stressenreuter – Foto: Gernot Schubert