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Malou Berlin: Brandspuren

Malou Berlin: Brandspuren

D 2016, 224 S., Broschur, € 15.32
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Querverlag
Inhalt
Es war zu erwarten, dass Malou Berlins zweiter Roman wieder in der Stadt ihres Namens spielen wird und gleichzeitig in dem Umland, das für viele noch immer lapidar »der Osten« genannt wird. Mit seinen individuellen, historischen Besonderheiten hat Malou Berlin diese ländliche Kulisse an der Spree in »Brandspuren« besonders bildhaft geschildert. Genauer gesagt, spielt die Geschichte zum Teil in einem deutsch-türkischen Café mitten in Kreuzberg und zum Teil draußen auf dem Land bei einer älteren, androgynen, alleinstehenden Frau namens Wilma. Doch zuerst zu den weiteren Figuren: Jale - die mit ihrem Mann und dessen Bruder das Café betreibt - und ihre beste Freundin Anna - die wohl schon sehr lange in Jale verliebt ist - sind eine eingeschworene Clique, die seit der Schule aufeinander aufpassen, und zusammen wollen die beiden Frauen sich mit einem Modelabel und einer Schneiderwerkstatt selbstständig machen. Die Überlegung ist, diese Werkstatt bei Wilma, Annas Großmutter, in Ratzlow, einem kleinen Ort in Brandenburg, zu betreiben. Wilma, die sich mit ihrer Enkelin gut versteht, freut sich sehr darüber. Doch vor zwanzig Jahren ist in der Straße gegenüber von Wilma ein Brandanschlag auf ein Haus verübt worden, in dem eine türkische Familie wohnte, die daraufhin weggezogen ist. Anna war damals fünf Jahre alt und mit den Kindern der Familie befreundet. Dieser augenscheinlich rassistisch motivierte Anschlag wurde nie aufgeklärt, obwohl Wilma den Täter erkannt hat. Durch das hartnäckige Nachfragen und Nachforschen der inzwischen erwachsenen Anna fällt dieses Ereignis nun zwanzig Jahre später auf Wilma zurück, denn damals ist Annas Mutter weggezogen und hat den Kontakt nach Ratzlow abgebrochen. Aus Feigheit hat Wilma also die Tochter verloren - und jetzt beinahe die Enkelin. Juristisch verjährt ein noch so grauenvolles Verbrechen mit der Zeit, doch das schlechte Gewissen verjährt nie, und auch nicht die politische und moralische Verantwortung. Die zwischenmenschliche Enttäuschung und irreparable Zerstörung von Beziehungen lassen sich nicht rückgängig machen, aber es ist nie zu spät, die Verdrängung zu beenden und Verantwortung zu übernehmen. So auch für Wilma, die für mich die stärkste Figur im Roman darstellt, gerade weil sie so widersprüchlich, kauzig und exzentrisch ist. Trotz aller Ambivalenzen - oder gerade deswegen? - ist sie mir besonders ans Herz gewachsen.
Inzwischen kehren die ersten Flüchtlinge nach Ratzlow ein, so wie ich es hier in meiner Kleinstadt in Brandenburg seit einem Jahr auch erlebe. Und wie in dem Roman sehe ich Menschen, die Verantwortung übernehmen, aktiv werden und die Ankommenden unterstützen - aus ganz unterschiedlichen Gründen. Gerade auch viele ältere Menschen, die womöglich etwas gutmachen wollen wie Wilma. Ich wünsche dem Buch viele Leser_innen, allein schon, weil es aktueller nicht sein könnte. Und es zeigt: Weggucken geht nicht. Kommende Generationen werden uns fragen. »Wie war das? Wie habt ihr euch verhalten damals, als die Rechten immer mehr wurden, immer lauter, immer gewalttätiger?«

(Ilona Bubeck empfiehlt - Frühling 2016)
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