Christian Reiner liest Jean Cocteau


Das Weissbuch. Le Livre Blanc. In deutscher Sprache ist der Druck dieses Buch eingestellt und längst vergriffen. So ist es nur noch in einigen Bibliotheken und selten bei Antiquaren zu finden. Der Verlag bekam diesen Text 1928 anonym zugesandt. Cocteau wies den Verdacht, er habe das Buch geschrieben, zurück, willigte aber doch ein, »Das Weissbuch« unter seinem Namen zu veröffentlichen, es in die Liste seines Schaffens aufzunehmen und illustrierte es. Die Illustrationen gehören heute zu den bekanntesten Bildern Cocteaus. Heute ist Cocteau als Autor des Weissbuchs unumstritten. Der Sprecher und Stimm- und Sprechkünstler Christian Reiner erhielt es als »Bezahlung« für eine im Mai in einem Wiener Antiquariat gehaltene Lesung. Nun liest er das Buch an ausgewählten Orten und ermöglicht so den Genuss eines herausragenden und selten Werkes. Das Weissbuch ist durchzogen mit der für Cocteau typischen literarischen und künstlerischen Thematik: das Thema des Kentauren, der Zigeuner, der Figur Dargelos, des Matrosen, des Spiegels, der Religion. Eine erotische Biographie, voller Sinnlichkeit. Ein kleines skandalöses Buch, das lange Zeit unter der Hand zirkulierte und einen Einblick in Cocteaus surreale Welt gewährt. »Wir veröffentlichen dieses Werk, weil es bei weitem mehr Talent als Indezenz beweist. Es wurde uns ohne Namen zugesandt.« (Der Verlag). Jean Cocteau: »Man hat behauptet, Das Weißbuch sei mein Werk. Es scheint tatsächlich, daß der Autor -Die große Kluft- kennt und meiner Arbeit nicht gleichgültig gegenübersteht. Aber was auch immer ich von diesem Buch halte, und wäre es von mir, wäre ich dafür nicht mit meinem Namen eingestanden... So belasse ich es dabei bewenden, daß ich meine Bilder beisteuere und diesen anonymen Versuch begrüße, auf unkultiviertem Boden Neuland zu erschliessen.«

Jean Cocteau. (1889 - 1963) Schriftsteller, Lyriker, Romancier, Dramatiker, Dramaturg, Graphiker, Maler, Choreograph und Filmregisseur. Zu seinen Künstlerfreunden zählten vor allem Pablo Picasso, Arno Breker, Salvador Dali, Ernst Jünger und Roger Peyrefitte. Geboren in Maisons-Laffitte bei Paris. Mit 16 Jahren lernt Cocteau den Schauspieler Édouard de Max kennen, der sein schriftstellerisches Talent erkennt und fördert. Erste Dichterlesung vor geladenem Publikum am 4. April 1908. 1909 Erster Gedichtband "La lampe d'Aladin. Inszenierung des Balletts "Surprise me". Jean Cocteau wird opiumabhängig. 1930 entsteht das autobiographischen Werk »Opium«. Während Cocteau's Sanatoriumsaufenthalt bei einer Entziehungskur entstehen einige seiner Hauptwerke, darunter »Orphée« und »La machine infernale« ('Die Höllenmaschine'). 1929 Roman »Les enfants terribles«. 1930 Erste Kinoproduktion »Le sang d'une poèt« (Das Blut des Dichters). Danach die Filme »La belle et la bete«, »Les parents terribles« und »Orphée«. Ab 1951 reiches graphisches Schaffen. Am 11. Oktober 1963 stirbt Cocteau in Anwesenheit von Jean Marais in seinem Haus.

Christian Reiner. Stimm- und Sprechkünstler, geb.1970 in München. Studien: Phonetik und Sprechen/Sprecherziehung. Soloprogramme, Live-Lyrik-Radiosendung, mehrere CD-Produktionen, Theater, Filmsynchronisation und Lesungen. Spricht und schreibt Hörspiele, wirkt bei den Stuttgarter Philharmonikern und bei kammermusikalischen Ensembles im Bereich der Neuen Musik mit und kooperiert mit namhaften Musikern der Avantgarde. Als Dozent für Phonetik und Sprecherzieher arbeitet er seit 1996 u.a. an der Universität Stuttgart, beim ZDF und an der Theaterakademie Berlin. 1999 ist er Stipendiat der Kunststiftung Baden-Württemberg. Er arbeitet als Sprecher in Hörspiel- und Feature-Produktionen für SWR, RTL, Arte, Deutschlandradio Berlin u.a., für zahlreiche CD-ROMs, und zusammen mit Sprechern wie Hans Paetsch ("die" deutsche Märchenstimme), Fritz von Friedl, Angelika Lang, und Daniela Hofmann. Mit dem britischen Tänzer Julyen Hamilton tritt er seit 2001 im Duo von Stimme und Tanz europaweit bei Festivals auf. Seine Avantgarde-Formationen 'Oral Office' und 'Pachinko Orkester' setzen Zeichen und Standards in der Verbindung von Sprache und Musik. Im Theater spielt er unter der Regie von Ruedi Häusermann »Kanon für geschlossene Gesellschaft« an der Staatsoper München und in Wien beim »Aktionstheater-Ensemble« in »Peachums Traum« und »Albtraummännlein«. Seit 2002 lebt und arbeitet er in Berlin und Wien. Hier war seine Stimme bisher auch in Hörspielen des ORF zu hören.

Lesung
Donnerstag, 3. Oktober 2002, 20 Uhr, im Galerieraum des Café Berg, Berggasse 8, 1090 Wien, Eintritt frei

 
Buchhandlung Löwenherz