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Sushila Mesquita: Ban Marriage!

Sushila Mesquita: Ban Marriage!

Ambivalenzen der Modernisierung aus queer-feministischer Perspektive. Ö 2012, 302 S., Broschur, € 17.95
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Inhalt
»Es ist alles noch viel schlimmer«, müsste eigentlich das Fazit der Untersuchung von Sushila Mesquita sein. »Ban Marriage« untersucht das Ehe- und PartnerInnnenschaftsrecht für Lesben und Schwule. Sushila Mesquita nimmt dabei vor allem die gesellschaftlichen Folgen ins Visier und erweitert dadurch den gängigen Blick beträchtlich. Üblicherweise wird nämlich mit einem im Kern populistischen Ansatz für lesbisch-schwule Gleichberechtigung hinsichtlich des PartnerInnenschaftsrechts argumentiert, beispielhaft geronnen im Slogan »Gleich viel Recht für gleich viel Liebe«. Populistisch deswegen, weil hier eine gesellschaftliche Position, nämlich das Recht, das grundsätzlich und für alle gilt, mit einer individuellen Befindlichkeit, nämlich dem Empfinden von Liebe, kurzgeschlossen wird. Dieser Kurzschluss ist der Kern aller populistischen Agitation, die hierzu die (individuelle) Sicht des so genannten kleinen Mannes zur Grundlage gesellschaftlicher Zusammenhänge macht. Sushila Mesquita denkt weiter. Natürlich hat sie dabei auch die individuellen Auswirkungen im Blick. Wir verschenken nämlich enorme Möglichkeiten, indem wir uns auf überkommene Ehe- und Partnerschaftsmodelle einlassen und uns so gesellschaftlich und damit fremd bestimmten Normen einfügen. Dies könnte man noch getrost jedem Schwulen und jeder Lesbe zur eigenen Entscheidung überlassen: Wer möchte, mag - alle anderen müssen ja nicht so leben. Doch Sushila Mesquitas Untersuchung zeigt, dass die zunehmende Normalität, mit der die Gesellschaft und ihre Institutionen Lesben und Schwule behandeln, ihren Preis auch unabhängig davon fordert, ob jemand und wer die neu gewonnene Normalität in Anspruch nimmt. Hierzu grenzt sie zunächst den Begriff der Normalisierung von dem der Normativität ab. Normativität beschreibt die gesellschaftlichen Erwartungen und Forderungen, die absolut gelten, unabhängig davon, ob dies alle oder auch nur eine Mehrheit erfüllt. Normalisierung hingegen beschreibt die Orientierung an einem Durchschnitt, der in der Regel statistisch erfasst wird; Normalisierung richtet sich also immer nach einem Mehrheitsverhalten. Doch so schön sich beide Begriffe zunächst abgrenzen lassen - sie greifen in ihrer Wirksamkeit ständig ineinander. Indem PartnerInnenschafts-Normen als Gesetze aufgestellt werden, bildet sich parallel dazu Normalität aus, die als erwartbarer Standard Lebensentwürfe prägend vorbildet. Genau hier setzt Sushila Mesquitas Untersuchung und Kritik an. Sie zeigt, wie durch sämtliche Rechtsinstitute, die PartnerInnenschaft für Lesben und Schwule regeln, die Erwartungen an uns immer stärker in Richtung überkommener, eheähnlicher Familienformen gehen. Dieser Effekt wird durch das willkürliche Vorenthalten einzelner Rechte sogar noch verstärkt, vor allem der regelmäßigen Verweigerung von Adoption und künstlicher Befruchtung. Und besonders perfid: das halbherzige Gewähren von Teil-Rechten verstärkt vor allem die Bereitwilligkeit von uns Lesben und Schwulen selbst und unserer Verbände, im Kampf um die Gewährung dieser vorenthaltenen Rechte uns als noch normalitätskonformer zu präsentieren. Anstelle also neue und andere Lebensentwürfe anzuerkennen, schafft der von Sushila Mesquita aufgedeckte Zusammenhang von Normativität und Normalisierung eine weitgehende Bereitschaft, auf ebendiese Gegenentwürfe zu verzichten. Kurz: Die gesellschaftliche Anerkennung von Lesben und Schwulen wird mit dem Preis erkauft, dass wir auf unsere Ansprüche glatt verzichten. Kein guter Deal und angesichts der allgemeingültigen Wirksamkeit des Ineinandergreifens von Normativität und Normalisierung erscheinen auch die queer-feministischen Alternativen im Schlusskapitel wenig hoffnungsvoll. Aber vielleicht müssen wir »Ban Marriage!« noch grundsätzlicher auffassen und die Erwartungen an die Legitimität rechtlicher Regelungen von Intimbeziehungen völlig in Frage stellen. Hierfür liefert uns Sushila Mesquita die besten Argumente. (Veit empfiehlt, Sommer Katalog 2012)
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