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Ang Lee (R): Taking Woodstock

Ang Lee (R): Taking Woodstock

USA 2009, OF, dt.SF, engl./dt.UT, 116 min., € 9.99
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Inhalt
Im August 1969 war ich fünf Jahre alt. Ich wurde auf einem anderen Kontinent groß. Und trotzdem waren die Wellen, die das legendäre Eventwochenende von Woodstock schlug, auch auf der anderen Seite des Ozeans spürbar. In den USA des Vietnamkriegs war etwas in Bewegung geraten, das in vielen Bereichen Veränderungen über die Welt brachte, die bis heute nachwirken. Nicht nur den Leuten, die Woodstock selbst erlebt haben, wurde schnell bewusst, dass dieses Hippie-Open Air-Konzertwochenende auf einer Kuhwiese in New York Upstate etwas ganz Besonderes in ihrem Leben darstellte, dass es sie neu beseelt und womöglich verändert hatte. Und so konnte ein friedliches Massenerlebnis eine ganze Generation prägen und noch heute als legendäres Ereignis in der Erinnerung vieler weiterleben. Ein paar Monate zuvor hatte es in New York die Stonewall Riots gegeben - aus schwullesbischer Perspektive der wohl wichtigere Aufbruch in eine neue Zeit. Aber auch die Wirkung Woodstocks darf nicht unterschätzt werden - es markierte den Beginn der Sexuellen Revolution, es löste sie sicherlich nicht aus, war eher so etwas wie die Spitze des Eisbergs. Aber erstmals wurde deutlich, dass die bleierne Zeit der moralisierende, rigiden 50er Jahre zu Ende gegangen war. Die Jugend war längst bereit für Neues, war bereit für eine neue, weniger schematische, offene Sexualität. Man probierte alles und jeden aus - wie man gerade Lust dazu hatte. Ein vergangenes Lebensgefühl, das in den 80ern unter der eisigen Angst der Aidskrise begraben wurde. Aber damals - im August 1969 - existierte noch eine fröhliche, unschuldige Ausgelassenheit in der Jugend, die in Woodstock ihren Kulminationspunkt erreichte. Regisseur Ang Lee versuchte in seinem letzten Film, sich dem Massenphänomen Woodstock anzunähern, die Faszination, die bei so vielen Menschen einen lebenslangen Eindruck hinterlassen hat, realistisch einzufangen. Nach der Komödie »Das Hochzeitsbankett« und dem tragischen »Brokeback Mountain« hat »Taking Woodstock« wieder eine schwule Hauptfigur - wobei im neuen Film der Aspekt der sexuellen Orientierung eher von nebensächlicher Bedeutung ist. Es ist kein Problem. Nur die Liebe zählt - »Make Love not War«. Woodstock steht auch für Toleranz. Ang Lee verfilmte mit »Taking Woodstock« den gleichnamigen autobiografischen Roman von Elliot Tiber, in dem der Autor schildert, wie er das Woodstock-Festival in seinen kleinen Heimatort White Lake holt und damit nicht nur sein eigenes, sondern auch das Leben so vieler anderer Menschen völlig verändert. Ein paar Monate, bevor das Großereignis stattfinden kann, ist Elliot in New York und erlebt dort sein Coming-out. Ihm wird bewusst, wie miefig sein rückständiger Heimatort draußen in New York Upstate eigentlich ist. Als er dorthin zurückkehrt, findet er sich anfangs eher schwer zurecht. Aber seine etwas kleinkarierten Eltern brauchen ihn dringend, denn ihr Hotel steht vor dem Ruin. Nur mit Not gelingt es Elliot zu verhindern, dass ihnen die Bank den Geldhahn zudreht. Er lässt sich zum Präsidenten der örtlichen Handelskammer wählen und sucht nach neuen Ideen, um die Wirtschaft des Ortes und im Besonderen die Nächtigungszahlen im Hotel anzukurbeln. Freunde aus New York berichten ihm von den Stonewall-Protesten - der schwullesbischen Rebellion gegen die Hetero-Unterdrückung. Ihm wird schnell bewusst, dass Dinge sich auch draußen bei ihm ändern müssen, um besser zu werden. Da liest er in der Zeitung, dass die Organisatoren des Woodstock-Festivals händeringend nach einem neuen Veranstaltungsort suchen. Er wirft sein ganzes Gewicht als Präsident der Handelskammer in die Waagschale und holt das Festival nach White Lake. Ihm ist ebenso wenig wie den skeptischen bis ablehnenden Einwohnern der Kleinstadt bewusst, was da auf sie zukommt. Mit einem Tross an Mitarbeitern schaut sich Veranstalter Michael Lang die mögliche Location an und ist begeistert. Eine Wiese wird als Veranstaltungsort für das Open Air-Konzert auserkoren. Alles wird in die Wege geleitet, dass Mitte August der Wochenend-Event stattfinden kann. Und als es so weit ist, versinkt die ganze Gegend in blankem Chaos. Niemand hätte mit einer halben Million Konzertbesucher gerechnet. Aber trotz einiger Widerstände der Kleinstadtbewohner und strömenden Regens am zweiten Tag geht das Festival friedlich, kreativ und beeindruckend über die Bühne. Die Musik von Joan Baez, Blood, Sweat & Tears, Jimi Hendrix und Santana tat ein Übriges, um trotz des miserablen Wetters, das den Ort in eine Schlammpiste verwandelte, eine grandiose, ausgelassene Stimmung bei den Besuchern aufkommen zu lassen. Elliot hat danach seinen ersten Joint, seine erste Drogenerfahrung, seinen ersten Dreier mit einem Heteropärchen. Sein Verhältnis zu den Eltern, die ihn vorher nie respektiert und nur herumgegängelt haben, ist nun auch grundlegend verändert. Ang Lee macht aus der Literaturvorlage einen episodenhaften Film, der zwar mit vielen absurden Szenen in die Nähe einer Komödie kommt, aber nie unrealistisch wird - vielmehr fängt Ang Lee das unglaubliche Chaos und die Stimmung dieses unvergesslichen Moments nachvollziehbar ein. Dabei kommt ihm vielleicht etwas nostalgische Wehmut wegen der Vergänglichkeit dieses besonderen Moments unter. Er webt jedoch nicht weiter an dieser unsterblichen Legende, sondern lässt ein facettenreiches, stimmungsvolles Bild erstehen, indem er so viele grundverschiedene, mitunter recht spleenige Charaktere in mehreren parallelen Handlungssträngen zusammenbringt. Neben den raubeinigen, streckenweise durchgeknallten Eltern von Elliot und dem anfangs noch unsicheren Elliot selbst gibt es den sphingisch-engelhaften Michael Lang, den vietnamgeschädigten Billy und die kampfsporterfahrene Transe mit der tiefen Stimme. Für alle, die nicht dabei waren, lässt Ang Lees »Taking Woodstock« beim Betrachter einen Eindruck davon aufkommen, was das Phänomen ausgemacht haben könnte. Ein Film, der auf seine Weise nicht weniger beeindruckend ist als »Das Hochzeitsbankett« oder »Brokeback Mountain«. Nachdem ich damals unmöglich selbst dabei sein konnte, bleibt mir eben dieser Film als perfekte Fiktion. (Jürgen empfiehlt, Frühlings Katalog 2010)
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