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Jamie O'Neill: Im Meer, zwei Jungen

Jamie O'Neill: Im Meer, zwei Jungen

Dt. v. Hans-Christian Oeser. D 2016 (Neuaufl.), 703 S., Broschur, € 29.95
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Albino
Inhalt
Um es gleich vorweg zu nehmen: »Im Meer, zwei Jungen« ist eine der schönsten schwulen Liebesgeschichten, die je aufgeschrieben worden sind. Die Geschichte spielt unmittelbar vor dem großen irischen Aufstand 1916, in dessen Folge die Republik Irland entstand. Allein schon die intensive und interessante Schilderung dieses Zeitkolorits würde den Roman lesenswert machen - doch die Dreiecksgeschichte von MacMurrough, Doyler und Jim schlägt den Leser in ihren Bann. Die Erzählung beginnt in einem langsamen, geheimnisvollen Tempo. Das englische Original lehnt sich dabei sprachlich an den irischen Dialekt des Englischen an, so wird man in eine andere Welt hinein gezogen. In ein Land im Krieg, im Konflikt mit dem als Kolonialmacht empfundenen England, aber auch im Konflikt mit den eigenen Traditionen und dem dominanten Katholizismus. Die Geschichte von MacMurrough, Doyler und Jim ist eigentlich rasch erzählt. MacMurrough, ein irischer Landadliger und gerade aus dem Gefängnis entlassen, in dem er wegen einer schwulen Affäre einsaß, hat eine Schwäche für junge Arbeiter. Sein Schwarm oder vielleicht besser: Objekt seiner Begierde, ist gerade Doyler Doyl, den er hemmungslos benutzt. Dieser - allerdings nur vermeintlich oberflächlichen - Beziehung steht die aufkeimende und intensive Verliebtheit Doylers und Jims gegenüber. Doylers und Jims Väter waren einst Kameraden beim Militär und die beiden Jungen gingen auch eine zeitlang gemeinsam zur Schule. Doch während Jims Vater, ein kleiner Krämer, seinem Sohn eine bessere Ausbildung zukommen lassen will, wurde Doyler schon früh gezwungen zu arbeiten. So hatten die beiden sich aus den Augen verloren. Doch an einem Nacktbadeufer finden sie sich wieder - als MacMurrough offenbar wieder einmal mit Doyler fertig war. Doyler und Jim treffen sich an diesem Ufer regelmäßig und verbringen dort die meiste Zeit ihrer jungen Liebe. Für Jim, gerade 16 geworden, ist es überhaupt die Zeit des sexuellen Erwachens. Die beiden Jugendlichen baden gemeinsam und planen, gemeinsam zu einem der Küste vorgelagerten Felsen zu schwimmen, um dort die irische Flagge zu hissen. Die Komplexität von »Im Meer, zwei Jungen« machen vor allem die Spannungen und Gegensätze aus. Dieser zarten Liebesgeschichte steht die sexuelle Beziehung Doylers zu MacMurrough gegenüber - doch MacMurrough ist selbst die komplexeste Figur des Romans. Gespalten in zwei Widerstreitende, Scrotes (sein irisch-katholisches schlechtes Gewissen) und Dick (sein nimmersatter Phallus), führt er innere Streitgespräche die ebenso scharfsinnig wie hinreißend komisch sind. MacMurrough ist gleichsam eine Umdeutung Oscar Wildes, der nicht am englischen Gefängnis zerbricht, sondern eine schwule irische Identität entwickelt und zum Freiheitskämpfer wird. Löwenherz hat auch das englische Original im Paperback lagernd für 12,29 »Im Meer, Zwei Jungen« zeigt auch die Vielschichtigkeit des irischen Nationalismus. Gab es zu Beginn des Ersten Weltkrieges Loyalitätsbekundungen, sahen viele Nationalisten den Krieg immer mehr als Chance für Irlands Unabhängigkeit. Einen ersten Höhepunkt erreichten diese Bestrebungen im gescheiterten Osteraufstand von 1916. An diesem historischen Hintergrund hatte ein schwuler Menschenrechtler wichtigen Anteil: Roger Casement. Er machte Karriere als Verfasser eines Berichtes über die brutale Ausbeutung der Bevölkerung des heutigen Zaires durch Leopold II. Casement deckte danach ähnliche Missstände der britischen Kolonialmacht in Südafrika auf. Im Ersten Weltkrieg reiste er nach Deutschland, um irische Kriegsgefangene für den Befreiungskampf, zu gewinnen. Die Deutschen brachten ihn in einem U-Boot zurück nach Irland, doch Casement wurde gefangen genommen, verhaftet und noch 1916 wegen Hochverrats hingerichtet. Casement hinterließ seine »Black Diaries«, in denen er über seine Homosexualität, seine schwulen Begegnungen und Freunde berichtet. Jahrelang waren diese Tagebücher unter Verschluss - von irischer Seite wurden alle Andeutungen über Casements schwules Leben als englische Propaganda denunziert. Erst in den letzten Jahren konnte die Echtheit erwiesen werden. Hierauf baut auch die Casement-Biografie von B. Inglis auf. Eine kürzere Würdigung Casements findet sich auch in C. Tóibíns Sammlung »Love in a Dark Time«. Geben wir Europa seine schwule Geschichte zurück! (Veit empfiehlt, Sommer Katalog 2003)
Titel vergriffen, auf Anfrage versuchen wir gerne, ihn antiquarisch zu besorgen.
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