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Ariel S. Winter: Mr. Sapien träumt vom Menschsein

Ariel S. Winter: Mr. Sapien träumt vom Menschsein

Dt. v. Oliver Plaschka. D 2017, 234 S., Broschur, € 15.50
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Inhalt
Zurzeit beschäftige ich mich für ein persönliches Projekt sehr viel mit Fragen rund um Androiden und Roboter, künstliche Intelligenz sowie deren Verhältnis zum Menschen. Vor einiger Zeit drückte mir eine liebe Vertreterin (danke Martina!) dieses Buch in die Hand und ich bin auf einer Zugreise völlig hineingekippt. Es spielt in einer nicht näher bezeichneten Zukunft, in der die Menschen - bedingt durch eine verheerende Krankheit - an den Rand des Aussterbens gedrängt wurden. Noch leben verstreut ein paar echte Menschen an der englischen Küste - die wenigen werden von Krankheiten geplagt und/oder gehen kaum noch nach draußen. Die Gefahren, die dort auf sie lauern, bleiben lange im Unklaren.
Inzwischen - die Evolution auf dem Planeten Erde ist ja nicht stehen geblieben - sind die Kreaturen des Menschen - Roboter, humanoide Androiden, KI - zu den neuen Herrschern des Planeten aufgestiegen. Sie haben eine immense Vielfalt von Modellen entwickelt und sich überall hin ausgebreitet, sind die dominierende Spezies geworden, wenn man so will.
Außerdem haben sie angefangen sich selbst zu reproduzieren. Ihre Schöpfer - nun als empfindlich, zerbrechlich, kränklich, todgeweiht empfunden - haben diese »Wesen« längst hinter sich gelassen. Und sie haben begonnen sich weltweit eine Existenz unabhängig vom Menschen aufzubauen. Der Mensch - scheint es - sei nun bald endgültig Geschichte. Und in ihrem Streben nach Selbstbestimmung versuchen immer mehr Androiden das Humanoide, die Menschenähnlichkeit an sich abzustreifen. Als Idealbild gilt das nackte Metallhülle des Roboters. Immer mehr verzichten auf die durch »Simulhaut« erzeugte, menschliche Anmutung. Anstatt dem Menschen als »Sklaven« zu dienen - setzen sie sich nun für das Fortkommen ihrer eigenen »künstlichen«, in vielerlei Hinsicht dem Menschen überlegenen Art ein. Der Mensch wird zum Fossil, zum Spielzeug. Und es wird auf ihn Jagd gemacht.
Mr. Sapien - ein in die Jahre gekommener Android - kommt nach Barren Cove - einer abgelegenen Küstensiedlung, die früher von Menschen, nun aber von Robotern und Androiden bewohnt wird. Mr. Sapien denkt über sein Leben in der Großstadt nach und eigentlich auch, ob er seinem Leben nicht besser ein Ende setzen soll - sein Körper ist schadhaft und er glaubt, als Ganzes unnütz, anderen zur Last geworden zu sein. Die Zeit an der einsamen Küste soll ihm Gelegenheit verschaffen, einmal über seine Zukunft, bzw. womöglich über eine »Deaktivierung« nachzudenken. Allerdings sind die Figuren, die das Anwesen von Barren Cove bevölkern, angetan, ihn von seinem ursprünglichen Vorhaben abzulenken. Dort leben die Asimovs - eine Familie von Androiden, deren ältester Vertreter noch eigenhändig von einem Menschen geschaffen worden ist. In der mittleren Generation befinden sich Kent und Mary - Kent will sich der Menschlichkeit entledigen - er möchte sich auf das reine Wesen des Roboters zurückbesinnen, während Mary einen jungen, echten Menschen unter ihre Fittiche genommen hat, der ständig kränkelt und in den sie sich verliebt hat, weil er so menschlich ist.
Auch Mr. Sapien hat von diesem abgeschirmt auf Barren Cove lebenden Menschen - Beachstone - gehört - doch er bekommt ihn nie zu Gesicht - und seine Versuche zu ihm vorzudringen werden von der Haus-KI und Mary immer wieder unterbunden. Das Haus ist voller Familiengeheimnisse. Was ist zum Beispiel mit den beiden Söhnen von Mary - der eine mit ihrem Bruder Kent, der andere mit Beachstone »geschaffen«? Der eine - Clarke - ist ein kraftvoller, perfekter Android, dessen unbändigen Hass auf die Menschen nur seine Mutter in Zaum halten kann - der andere ist Philip - eine Fehlkonstruktion, die nur müheselig am Funktionieren gehalten werden kann. Mr. Sapien beobachtet diese seltsame Patchwork-Familie aus Androiden und einem Menschen von außen - und bemerkt, dass die Androiden ungewollt mit ihren Spleens, Emotionen und Aggressionen den Menschen ähnlicher geworden sind, als ihnen vielleicht lieb ist.
Autor Ariel Winter hat mit »Mr. Sapien träumt vom Menschsein« eine ebenso düstere wie merkwürdige Zukunftsvision geschaffen, die sich ironisch mit der Möglichkeit auseinandersetzt, dass künstliche Intelligenz und Roboter/Androiden den Menschen eines Tages überflügeln und ablösen könnten. Die Ironie des Schicksals - so Winter - ist, dass auch die Roboter/Androiden nicht der Weisheit letzter Schluss sein werden - sondern durch ihre Eigenschaften und Fehler einer Evolution unterworfen sein werden nach dem Darwin'schen Motto »Survival of the Fittest« - nicht zu übersetzen mit »des Stärksten«, sondern vielmehr »des Geeignetsten« - etwas, mit dem sich auch der Mensch herumplagen musste in seiner Hybris, natürliche Gesetzmäßigkeiten außer Kraft setzen und sich darüber erheben zu können. Diese Dystopie regt auf jeden Fall zum Nachdenken über eine mögliche Zukunft an und macht wirklich Spaß zu lesen.

(Jürgen empfiehlt ? Winter 2017/18)
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