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Angelika Klüssendorf: Das Mädchen

Angelika Klüssendorf: Das Mädchen

D 2011, 182 S., geb., € 19.60
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Inhalt
Das ist mir lange nicht passiert: ein Buch in einer Nacht durchzulesen, fast atemlos, begeistert und bewegt.
Die Geschichte eines zwölfjährigen Mädchens, das namenlos bleibt und das der überforderten gewalttätigen Mutter ausgeliefert ist - und manchmal auch dem alkoholkranken Vater, der aber kaum da ist. Mit in der Wohnung lebt der sechsjährige Bruder - der kleine Liebling der Mutter, doch diese Bevorzugung bewahrt ihn allerdings nicht vor ihrer Gewalt. Er zieht sich immer mehr in sein Inneres zurück, um sich so vor den Schlägen, Schmerzen und der Angst zu schützen. Das Mädchen dagegen entwickelt einen unbändigen Überlebenswillen. Sie will nur durchhalten und davonkommen. Sie stiehlt, schwänzt die Schule, sie rennt vor fahrende Autos. Das alles versucht sie, um der Trostlosigkeit, Verzweiflung und Langeweile zu entgehen. Und schließlich flüchtet sie sich in die Welt der Bücher, der wenigen, die sie hat, wie »Der Graf von Monte Christo«, und damit flüchtet sie in sehnsuchtsvolle Träume, in eine andere Welt, um die Wirklichkeit auszuhalten.
Sie läuft von zu Hause weg, kommt für kurze Zeit zum Vater und später ins Heim. Sie bleibt Außenseiterin und damit Ablehnung ausgesetzt und muss weiterhin auf der Hut sein. Aber sie hält sich auch an Menschen fest, die ihr helfen, und an den kurzen Freundschaften, die sie erlebt. Aber sie ist vor allem eines, niemals Opfer - egal was ihr passiert, ihr Überlebenswille ist ungebrochen. Das, was das Buch so besonders macht, ist nicht die Beschreibung der Gewalt, sondern die Beschreibung der Willkür: Die Unberechenbarkeit, die Angst vor der Gewalt ist das, was das Leben fast unerträglich macht. Doch genau dies führt dazu, dass das Mädchen eine unglaubliche Sensibilität für Stimmungen entwickelt und jegliche Emotionen schnell erfassen und einordnen kann. Menschen mit traumatischen Erfahrungen in der Kindheit werden oft übersensibilisiert für Krisensituationen. So deutlich wie mit dieser klaren, präzisen, poetischen Sprache habe ich das noch nie empfunden und ist in aller Grausamkeit, schön zu lesen.
Da der Roman in der Gegenwart geschrieben ist, lässt er Leserin oder Leser keine Distanz. Das ist entweder nur schwer auszuhalten oder lässt einen nicht los. Aber keine Angst, wer nichts zu Gewalt lesen mag, dieses Buch ist auf verstörende Art zugleich wohltuend - wahrscheinlich, weil dieses Mädchen eine Kämpferin, eine starke Überlebende ist. Und dabei ist sie noch nicht mal eine positive, sympathische oder gar gute Figur. Im Gegenteil man beginnt zu verstehen, warum Kinder, die vernachlässigt und misshandelt wurden, kriminell werden können, um zu überleben.
Ich hoffe auf eine Fortsetzung dieses erzählerischen Meisterwerkes.
»Das Mädchen« erinnerte mich beim Lesen an Milana und Polly aus »Schattengesicht«, dem rückwärts erzählten Psychothriller von Antje Wagner. (Antje Wagner: Schattengesicht. D 2012, 190 S., Pb, 8.17)

(Ilona Bubeck empfiehlt - Herbst 2012)
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