Von Veit Georg Schmidt
Bücher und Filme sind etwas sehr Persönliches, Individuelles: Wir lassen uns nicht nur einfach von ihnen unterhalten, oft verändern sie uns auch. Sie bringen uns zum Lachen, versetzen uns in kribbelnde Aufregung, bewegen uns, erzählen uns von etwas, das wir noch nicht kannten. Dieses Individuelle beziehen Bücher nur zum Teil von ihren Autorinnen und Autoren; einen mindestens ebenso hohen Anteil an dem, was ein Buch so besonders macht, haben die Leserinnen und Leser daran. Eine gute Buchhandlung ist darum einerseits ein Ort des Austauschs, des freundschaftlichen Gesprächs, der Überraschungen und Entdeckungen, andererseits ein Ort, an dem Erwartungen erfüllt werden: wer ein Buch möchte, hat oft genaue Vorstellungen davon, was er oder sie jetzt gerade gerne lesen würde, mitunter wird auch einfach nur ein ganz bestimmtes Buch für die Arbeit gebraucht. Die Buchhandlung ist darum so etwas wie der Spiegel ihrer Kundinnen und Kunden: Wer in eine Buchhandlung seines Vertrauens kommt, kann immer wieder auch sich selbst darin erkennen.»Das« Buch für alle gibt es nicht
Buchhändlerinnen und Buchhändler sind darum so etwas wie Maklerinnen und Makler: Wir finden heraus, was gerade für die jeweilige Kundin oder den jeweiligen Kunden das Richtige und Passende ist. Wir nehmen die Bestellungen auf, recherchieren nach bestimmten Themenvorgaben oder überlegen, was wir in der spezifischen Situation empfehlen können. Denn »das« Buch, dass alle gelesen haben müssen, das für alle empfehlenswert sein soll, dieses Buch gibt es nicht. Wir sprechen mit unseren Kundinnen und Kunden, kennen oft durch regelmäßige Gespräche ihre Vorlieben und Abneigungen. Wir benutzen gerade keinen Algorithmus, der uns mechanisch unsere Auswahl nach einem Merkmal-Profil treffen lässt. Warum sollte ein Buch für jemanden interessant sein, nur weil es für viele andere interessant war? Bücher sind so individuell wie ihre Leserinnen und Leser, das gleiche gilt übrigens für Filme. Das Buch aus der Buchhandlung hat also ein eigenes Gesicht; es entsteht auf der Grundlage des Textes der Autorin oder des Autors, es entwickelt sich im Gespräch mit Buchhändlerin und Buchhändler oder anderen Kundinnen und Kunden, es gewinnt Schärfe im Profil durch die Auswahl, denn jede Entscheidung für ein Buch ist immer auch eine Entscheidung gegen viele andere, und es wird schließlich beim Lesen zu etwas ganz Persönlichem.
Auswahl und »Nein-Sagen« – auf dem Weg zum passenden Buch
Eine wichtige Leistung der Buchhandlung ist die Unterstützung des Ausschlusses, die Förderung des Nein-Sagens. Nur wenn sich Kundinnen und Kunden gegen viele Angebote entscheiden können, haben sie auch die Freiheit, sich schließlich für ein Buch zu entscheiden. Die qualifizierte Auswahl in unserer Buchhandlung will darum nicht komplett von allen gut und lesenswert gefunden werden, im Gegenteil: Jedes Buch, das eine Kundin oder ein Kunde ablehnt, ist auch ein Schritt zur Klärung ihres oder seines Wunsches. Deswegen sind Auslagen mit nur einem Buch so öde und erinnern genauso an vergangene Ostblockzeiten wie die Palettenpräsentation von Bestsellern in Buchkaufhäusern. „Einer für alle, alle für einen“ ist nicht umsonst der Slogan des Teamsports, der Individualität zugunsten des Teams zumindest für die Zeit des Spiels abbauen soll. Ganz anders Buch oder Film – hier kann Individualität schon beim Kaufen in einer Sortimentsbuchhandlung aufgebaut werden. Denn auch der wild wuchernde Gegenentwurf, die scheinbare Allverfügbarkeit der großen Internetanbieter hilft gerade nicht, »Nein!« zu sagen. Der Warenkorb-Klick ist ebenso schnell gesetzt, wie der Grund, die Entscheidung dafür sich verflüchtigt. Ganz abgesehen davon, dass die Präsentation der Millionen von Titeln online nur vermeintlich gleichwertig ist. Sie ist gesteuert von den Marketing- und Verkaufsinteressen der jeweiligen Anbieter – wo sind die hohen Margen, welcher Verlag hat die höchsten Werbekostenzuschüsse gezahlt, das sind die Leitlinien des algorithmierten Webshops. Rankings, Besprechungen von Leserinnen und Lesern, Buchlisten und Querverweise dienen hier in Wahrheit nur der Verschleierung der eigentlichen Maximen. Überbordendes Massenangebot wie monotone Präsentation von sogenannten Must-Reads sind also etwas für Ja-Sager – wir hingegen stehen für eine Kultur des Individuellen.Die Zeit des buchhändlerischen Wissensvorsprungs ist vorbei
Kompetente Maklerinnen und Makler zu sein heißt vor allem: auf Wünsche, Bedürfnisse und Eigenheiten unserer Kundinnen und Kunden einzugehen, auch und gerade wenn wir uns dabei auf völlig neuem Terrain bewegen. Natürlich sind wir hoch qualifiziert, so viel Eitelkeit dürfen wir uns schon gönnen. Längst sind aber die Zeiten buchhändlerischer Herrlichkeit vorbei, in denen wir uns in einem Wissensvorsprung vor unseren Kundinnen und Kunden sonnen konnten, weil wir über Insider-Informationen verfügten, an die nur schwer heran zu kommen war. Wir waren nicht einfach nur Mittlerinnen und Mittler, sondern fast so etwas wie Hohepriesterinnen und Hohepriester des heiligen Mediums Buch. Doch jede interessierte Kundin und jeder engagierte Kunde weiß heute in seinem Interessengebiet viel mehr über aktuelle Neuerscheinungen, geplante Buch- und Filmprojekte, Diskussionen in entlegenen Gebieten, als wir uns jemals darüber aneignen könnten. Neben Zuhören-Können ist hier vor allem unsere Fähigkeit gefragt, schnell alles besorgen zu können, was gerade nicht im Laden vorhanden ist. Dabei sind wir schnell: Die meisten Titel – auch fremdsprachige – können wir innerhalb eines Tages unseren Kundinnen und Kunden vorlegen, grundsätzlich sind natürlich alle Bücher bestellbar. Spezielle Titel aus den englischsprachigen Ländern sind meist innerhalb von zwei Wochen da, ansonsten zumindest in einem zumindest vertretbaren Zeithorizont. Und natürlich können wir hier noch vielfältig mit unserer buchhändlerischen Erfahrung helfen: Worin unterscheidet sich eigentlich eine „Adult-Version“ von einer „Children’s Version“? Ist die Werkausgabe vollständig? Welcher Sprachkurs ist fürs Selbststudium besser geeignet? Die Suche nach dem Richtigen lässt sich oft nur durch die Anschauung abschließen, darum bestellen wir grundsätzlich auch alles zur Ansicht.Wir sind für unsere Kundinnen und Kunden da – auch über den Versand
Wir sind für unsere Kundinnen und Kunden da – im Laden und über das Internet. Wir unterhalten uns gerne ausführlich, wir schreiben (oft lange) eMails, bieten neben einem lagernden Sortiment von über 12.000 Titeln online die Auswahl- und Bestellmöglichkeit von mehreren Millionen Büchern, DVDs, CDs, Software-Artikeln und vielem anderen mehr. Denn auch wenn die Auswahl so wichtig ist – letztlich soll das Einkaufen auch schlicht Spaß machen. Und natürlich kann nicht jede und jeder immer bei uns vorbei kommen, um Bestellungen abzuholen – ein reibungsloser Versand ist darum ebenso selbstverständlich wie bequeme Bezahlmöglichkeiten.
»Wir bauen die Welt auf, in der wir leben wollen«
Wir leben in der Welt, die wir uns erkaufen: Eine lebendige Stadt, ein Land mit intakter Infrastruktur und Rechtssicherheit, eine Kultur der Wissensweitergabe gibt es nur, wenn es zahlreiche Läden in allen Stadtbezirken gibt, wenn Steuern und Abgaben dort anfallen, wo sie auch gebraucht werden und wenn Betriebe nicht nur auf Gewinnmaximierung ausgerichtet sind, sondern auch auf Bestand und darum ihr Wissen ihren Auszubildenden weitergeben. Wir beleben mit unserem Laden die Innenstadt, zu uns kann jede und jeder einfach mal vorbei kommen. Durch die von uns erwirtschafteten Steuern werden Straßen, Ämter, Schulen, Gerichte und viele andere Einrichtungen Wiens und Österreichs erhalten und ausgebaut. Wir bilden Lehrlinge aus und vermitteln jungen Menschen eine umfassende kaufmännische Ausbildung im Allgemeinen und detaillierte Kenntnisse über den Buchmarkt im Besonderen. Das alles ohne große Standortsubventionen: Im Gegensatz zu fast allen Großunternehmungen, die sich ihre Logistikzentren, Filialgründungen und sonstige Standortentscheidungen durch hohe öffentliche Zuwendungen bezahlen lassen, sind wir die Nettozahler und –zahlerinnen unseres Wirtschaftssystems.
Teil der schwulen und lesbischen Community
Und nicht zuletzt sind wir lesbisches und schwules Leben pur: Wir sind Anlaufstelle für alle Informationen der Community vor Ort, hier wurden und werden neue Projekte entwickelt und bestehende weiter gefördert. Parade, Pride Village, Archiv und Ball sind uns Herzensangelegenheiten – unsere Mitwirkung und Unterstützung ist selbstverständlich. Bei uns findet Meinungsaustausch, Ideenwettbewerb und manchmal auch nur versponnene Träumerei statt, und das nicht nur bei unseren zahlreichen Veranstaltungen wie Lesungen, Diskussions- und Informationsabenden, sondern wann immer sich ein Gespräch entwickelt.
Ihr Buch hat ein Gesicht – Kampagne für den stationären Buchhandel
45 Buchhandlungen in Wien zeigen Gesicht. Die Kampagne »Ihr Buch hat ein Gesicht – Wiens Buchhandel hat viele« der Agentur vielseitig setzt ein Zeichen gegen die wachsende Online-Konkurrenz.
www.ihrbuchhateingesicht.at