Rosa von Praunheim: Der Einstein des Sex – Leben und Werk des Dr. Magnus Hirschfeld

Rosa von Praunheim: Der Einstein des Sex
Vor diesem Hintergrund hat es einen gewissen Reiz, dass Rosa von Praunheim als eine der zentralen Figuren der Zweiten Deutschen Schwulenbewegung seinem ›Vorgänger‹ Magnus Hirschfeld 2000 eine filmische Hommage gewidmet hat. Der Film würdigt ausführlich das Leben und Werk des ›Einstein des Sex‹, wie Hirschfeld bei einer USA-Reise von einem Journalisten tituliert wurde, und stellt die Schwierigkeiten dar, unter denen Hirschfeld als Jude und nie ›offen‹ homosexuell lebender Wissenschaftler und Arzt seinen beharrlichen – aber letztlich erfolglosen – Kampf um die Abschaffung des einschlägigen § 175 führte. Er breitet die Zeit Hirschfelds und die Anfänge der Schwulenbewegung aus und arbeitet dabei auch mit historischen Filmaufnahmen (leider mit keinem Ausschnitt aus »Anders als die Anderen«). Freilich geht der Historienfilm an manchen Stellen sehr ›großzügig‹ und gutmeinend mit seinem Gegenstand um, was Rosa von Praunheim von der Kritik auch vielfach vorgeworfen wurde. Dass sich Hirschfeld etwa nie eindeutig von der Eugenik distanziert hat, umschifft der Film elegant. Vorgehalten wurde dem Film auch, dass er – verglichen mit anderen Filmen von Praunheims – ästhetisch eher konventionell geraten ist. All das mag zutreffen, macht den Film aber nicht weniger sehenswert. Er holt einerseits einen Forscher wieder stärker ins öffentliche Bewusstsein zurück, dessen Werk und Andenken von den Nationalsozialisten fast ausgelöscht worden wäre. So fielen Hirschfelds Werke der Bücherverbrennung zum Opfer und das von ihm 1919 gegründete, weltweit renommierte »Institut für Sexualwissenschaft« wurde geplündert und zerstört. Eine Entschädigung dafür erfolgte lange Zeit nicht und erst 2011 konnte nach einem intensiven Diskussionsprozess erreicht werden, dass die »Bundesstiftung Magnus Hirschfeld«, ausgestattet mit einem Vermögen von zehn Millionen Euro, ihre Arbeit aufnahm. Sie fördert unter anderem Forschungs- und Aufklärungsprojekte zur Geschichte und Lebenssituation von Schwulen, Lesben und Transgenders. Wie Hirschfeld die Zerstörung seines Lebenswerks aus dem Pariser Exil in einem Wochenschau-Film mitansehen muss, gehört sicher zu den bewegendsten Momenten der Filmbiographie. Andererseits macht von Praunheim mit dem Film meines Erachtens ein zweites, wichtiges politisches Statement: Er zeigt einen Aktivisten, der sich auch von den widrigsten Umständen – unter anderem Anfeindungen aus den ›eigenen Reihen‹ – nicht von seinen sexualaufklärerischen und emanzipatorischen Idealen abbringen lässt. Rosa von Praunheim setzt damit einer ›Normalisierung‹ schwuler Lebensentwürfe und Kommerzialisierungs- und Entpolitisierungstendenzen, die gerade auch in der deutschen Schwulenbewegung vielfach beklagt werden, ein ›Alternativmodell‹ entgegen. Das ist sicher eine der großen Stärken des Films.
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Christopher Treiblmayr

Christopher Treiblmayr