Brane Mozetic liest aus »Schattenengel«


Brane Mozetic steht abseits jenes massiv promoteten Mainstreams, der bei uns neuerdings als «die slowenische Literatur» daherkommt, und so erklärt sich der Respektabstand von acht Jahren, die sein Roman brauchte, um endlich auch in deutscher Sprache erscheinen zu können. Es liegt wohl am Mangel an nicht einschlägigen Verlagen, die es auf sich nähmen, so ein Buch ihren Lesern zuzumuten, denn sein Inhalt ist heikel: Es beschreibt drastische homosexuelle Praktiken und Gewalt; bei aller monomanischen Fixierung auf die Gleichgeschlechtlichkeit agiert die sich in den Gedanken des Protagonisten widerspiegelnde schwule Welt nämlich in abscheulicher Normalität, erschreckend banal und konventionell. »Schattenengel« ist daher kein Buch über die Schwulenszene in Slowenien, und schon gar kein realistisches, es benennt nicht einmal die konkreten Schauplätze. Aber es ist mit Wirklichkeit derart aufgeladen, dass einem die Haare zu Berge stehen.

Der Plot, der nur den notwendigen Rahmen abgibt, ist schnell erzählt. Ein Mann - er heisst Brane - steht als Angeklagter vor Gericht und soll psychologisch begutachtet werden. Er hat Jan, seinen Geliebten, getötet, die Psychologin forscht vorsichtig nach den Gründen. Im Verlauf des Interviews enthüllt sich die Geschichte einer Beziehung, die von Anfang an von Gewalt und Abhängigkeit geprägt ist und die ausweglos in die Katastrophe führt.

Das Verstörende dieser Erzählung liegt in der Drastik und zugleich Distanziertheit der Darstellung, die noch den blutigsten Sadismus als Aspekt einer philosophischen Unbehaustheit zeigt. Mozetics Figuren handeln autistisch, fixiert auf ein extrem schmales Segment von Welt, in dem alles, Wünsche, Sehnsüchte, Liebe, aber auch Brutalität und Sadismus, Platz finden muss. Branes Erleben ist letztlich nicht analysierbar, sondern völlig autark, Dinge widerfahren nicht, sondern sie werden getan oder nicht getan. Er verfügt über eine subtile Urteilsfähigkeit, er wüsste genug über sich und andere, um nicht Opfer von Wiederholungszwängen werden zu müssen. Aber er nimmt die mit seinen Beziehungen verbundenen Schmerzen, die physischen und psychischen, in Kauf, er sucht sie, weil es ohne Schmerzen nicht geht. Was ihm wirklich zu schaffen macht, ist die existenzialistische Angst, die Panik vor dem Tod. Er war nicht auf die Intensität gefasst, mit der diese Gefühle im Verlauf seiner Beziehung zu Jan in ihm aufbrechen sollten. Er erzählt rückhaltlos und reisst die Psychologin allmählich in seine existenzielle Unsicherheit hinein.

Zum Autor: Brane Mozetic (1958) ist Autor von zehn Gedichtbänden, der Prosasammlung »Passion«, des Romans »Schattenengel« und des Raver-Romans »Die verlorene Geschichte«. Er redigierte drei Anthologien und übersetzte zahlreiche französische Autoren (u. a. Rimbaud, Genet, Foucault). Seine Arbeiten wurden bisher in ca. 20 Ländern veröffentlicht. Viele Jahre war er ein bedeutender Akteur in zivilgesellschaftlichen Bewegungen, nun ist er vor allem als Redakteur der Buchreihen Aleph und Lambda sowie als Promotor der slowenischen Literatur im Ausland tätig. 2004 wurde er für seinen neuesten Lyrikband »Banalien« mit dem Simon-Jenko-Preis ausgezeichnet. (Siehe auch: www.branemozetic.com)

Zum Übersetzer: Andrej Leben (1966), studierte in Wien, Ljubljana und Prag. Assistent am Institut für Slawistik der Universität Wien, Publizist und Übersetzer.

Erwin Köstler: (geb. 1964), Literaturwissenschaftler, Übersetzer, Essyist, Kritiker. U. a. Übersetzer und Herausgeber der Ivan Cankar Gesamtausgabe (Drava Verlag). Träger des österreichschen Staatspreises für literarische Übersetzer.

Präsentation und Lesung in Anwesenheit des Autors Brane Mozetic (Ljubljana) und des Übersetzers Andrej Leben (Klagenfurt/Wien)
Es lesen Brane Mozetic und Erwin Köstler (Wien)

Donnerstag, 25. November 2004, 20 Uhr, in der Buchhandlung Löwenherz, Berggasse 8, 1090 Wien, Eintritt frei
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Eine Veranstaltung des Kulturvereins Berggasse zusammen mit der Buchhandlung Löwenherz und dem Klub slowenischer Studenten und Studentinnen in Wien.

 
Buchhandlung Löwenherz